Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
mehr fragen, welches es war, denn sie ist leider verstorben.“
„Das tut mir sehr leid!“, äußerte sich der Parfümeur.
„Ja, mir auch. Kann ich vielleicht an einem Ihrer Parfums riechen?“
„Selbstverständlich. Wonach roch es denn, das Parfüm, das Ihre Frau Ihnen gekauft hat?“
„Nach … den Bergen Chinas im Nebel. Nach Zedern und aufsteigenden Vogelschwärmen“, antwortete ich in Erprobung meiner Bohème-Ausstrahlung.
„Probieren Sie einmal dieses!“ Er sprühte den Duft auf einen Streifen Papier und reichte ihn mir herüber.
„Das kann ich so unmöglich erkennen. Können Sie es mir vielleicht auf die Handgelenke sprühen?“
„Dann können Sie aber nicht mehrere ausprobieren, sie vermischen sich sonst, und das ist unschön.“
Er kam dennoch meiner Aufforderung nach. Ich schnupperte, zuckte mit den Achseln und hielt ihm auch das rechte Handgelenk hin.
„Ein anderes?“
„Nein, das gleiche nochmal.“ Er zog die Augenbrauen hoch, sprühte, und ich schnupperte daran.
„Das muss ich mir durch den Kopf gehen lassen. Es riecht sehr ähnlich. Vielen Dank“, sagte ich eilig, bevor er mich in Erklärungsnot bringen konnte und verließ die Parfümerie. Draußen ging ich um eine Straßenecke und tupfte mir die wohlriechenden Handgelenke an Wangen und Hals. Damit würde Domek sich wohl hoffentlich zufrieden geben, es hatte genug von meiner Ehre als Edelmann gekostet.
Aber es war sehr bohemien.
Domek bedachte mich mit einem prüfenden Blick und gleich darauf mit einem zufriedenen Lächeln.
„Sehr gut. Du hast dir Mühe gegeben.“
Ich schulterte die Ledertasche, in denen ich Skizzen und kleinere fertiggestellte Bilder mit mir herumtrug und trat über die Brücke auf ihn zu – hinein nach Hohendorf, auf den schwimmenden Ausläufer des Eisberges. Hier war das Licht der Gaslaternen heller, auch die Luft schien mir angenehmer, vielleicht sogar wärmer – unter der stählernen Plattform jedoch rauschte bedrohlich das Meer, als sei es jederzeit bereit, die kleine Stadt in den salzigen Abgrund zu ziehen.
Domek von Pommern führte mich durch die Straßen der Bastion des Æstaner Adels hinauf zum Herzogshaus – es war beinahe schon ein Schlösschen, aus hellem, vom Meer gebleichtem Stein gebaut und mit Ornamenten in einer Mischung von Jugendstil und barocker Bauweise übersät.
Keiner, der hier residierte, musste den von einer stählernen Umzäunung wie von einer Schiffsreling umgebenen Schwimmer jemals verlassen, um Æstas Gassen und Gossen zu betreten. Es gab Geschäfte, edle Schneider und Friseure, es gab Lebensmittelhändler, die Dinge von den Luftschiffen feilboten, die ich nicht mehr gekostet hatte, seit ich am Tag unserer Hochzeit vom Gut meiner Eltern mit Æmelie in unser Stadthaus gezogen war. Je höher wir stiegen, desto seltener begegneten uns spazierengehende Passanten, und desto häufiger grüßte Domek andere geladene Gäste, die sich zu Fuß oder gar in Pferdekutschen oder mit Dampfmaschinen getriebenen Automobilen zum Herzogsschloss begaben.
„Dort hinten – die Gräfin Elsbeð von Niederbroich. Nur sie besitzt solche schwarzen Pferde, eine Schande, dass die Tiere niemals auf Koppeln laufen dürfen!“
„Ist es die Gräfin mit dem Luftschiff?“
„Ja. Pikant, dass sie heute alle aufeinandertreffen, nicht wahr?“ Domek kicherte und richtete sein strohblondes Haar, das er geckenhaft bis auf Kinnlänge trug, und seinen gepflegten Schnauzbart. „Ich mache mich auf einen spannenden Abend gefasst!“
Wir erreichten die Villa der Familie Hoesch, die sich an das Herzogsschloss schmiegte, als wolle sie dadurch ihre Verbundenheit demonstrieren. Sie war ein niedrigerer Bau, jedoch zeichnete sie sich durch einen besser durchgehaltenen Stil aus – eiserne Gitter schmückten, schlicht an den Spitzen verschlungen, die Fenster, ein rotes Backsteinband zierte die ansonsten hell verputzte und gestrichene Fassade. Da die ansteigende Struktur des Schwimmers es nicht anders zuließ, sank die Villa rechter Hand in drei Stufen ab, die sich rückwärtig an den künstlichen Berg schmiegten. Am obersten Teil angekommen, blickten Domek und ich über Hohendorf, das seine pittoresken Dächer und Giebel nach uns ausstreckte. Jenseits davon ragte Æstas Eisberg auf, noch sicher drei Mal so hoch wie das höchste Türmchen der Grafenresidenz, und davor, als höchstes Gebäude, malte sich dunkel der Turm des Spitals ab. Schwarzer Rauch stieg von den Industrieanlagen und Raffinerien der tieferen
Weitere Kostenlose Bücher