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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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Körper getroffen haben, dass sich Auge und kleingeistige Moral nicht dadurch beleidigt fühlen, wird auch sicherlich die Zeit gekommen sein, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Dann wird die Lösung der sozialen Frage in greifbarer Nähe sein, und Europa wird ohne derartige Stolpersteine ein wenig näher an Gottes genialen Geist heranreichen. Was heißt das?“
    „Er baut Shellys. Wissen Sie das?“
    „Shellys. Diese Gestalten im Nebel …“
    „Kann man das der Polizei melden?“
    „Vielleicht sind Sie bei den Kirchenvertretern an besserer Adresse. Wenn Hoesch und Pappelheim ihre Finger im Spiel haben, würde ich davon ausgehen, dass sie die Polizei bereits auf der Gehaltsliste stehen haben. ‚Die Lösung der sozialen Frage‘. Eine eigenartige Formulierung.“
    „Ich habe gesehen, dass er bereits einmal die Streikbrecher mit einem Shelly ausgestattet hat. Wird er die Ordnungsorgane, die Exekutive durch seelenlose Automaten ersetzen?“
    „Dieses Gefasel von Gott sieht ihm gar nicht ähnlich.“
    Ich fand schon, dass es ihm ähnlich sah. Wer die Gesellschaft nach den Gesetzen der Thermodynamik zu ordnen versuchte, der konnte auch mit der Hilfe einer Gasbatterie nach Gott greifen.
    „Nichtsdestotrotz verschweigt er, dass seine Gasbatterie, im Gegensatz zu Æmelies offenbar verlorengegangenen Skizzen der Erlenhofenzelle, zum Antrieb der Shellys noch nicht ausgereift ist. Er muss sich sehr sicher sein, dass er die vollendete Konstruktion von mir erhält, wenn er von einer Serienproduktion spricht. Dieser Hundsfott!“
    „Nun haben Sie mir seine Pläne freiwillig gezeigt. Nehmen Sie mein Angebot an? Ich lasse Ihnen ein Gästezimmer herrichten, und Sie können tun, was immer Sie wollen, sofern Sie sich in diesen vier Wänden befinden. Morgen früh jedoch müssen Sie sich entschieden haben, was wir mit Ihnen tun. Am besten verlassen Sie Æsta, denn früher oder später wird der Stadtkanzler eine Möglichkeit finden, nach Ihnen suchen zu lassen – auch hier bei mir.“
    Ich nickte betäubt.
    Æsta verlassen. Æmelie hierlassen.
    „Ich glaube …“, flüsterte ich nach einem Blick auf verschiedene, wie unter Drogeneinfluss durcheinander gekritzelte Risszeichnungen. „Ich glaube, er will nicht nur den toten Körper wandeln lassen, sondern auch das Gehirn wieder zum Leben erwecken. Das Gehirn meiner Frau. Ich kann hier nicht weg.“
    Gräfin Elsbeð sah mir über die Schulter. „Ehrlich gesagt, kann ich das daraus beim besten Willen nicht lesen. Passen Sie auf, dass die Phantasie nicht mit Ihnen durchgeht.“
    Aber Ynge sah mich an und blinzelte langsam.

    „Geht es Ihnen besser?“, fragte die Gräfin und trat auf Strümpfen in das Gästezimmer, das sie mir hatte zuweisen lassen. Ein mürrisches Dienstmädchen hatte mir ein Bad bereitet, und nun trug ich einen Morgenmantel, der durchaus für einen Mann geschneidert schien – obgleich ich im Haus nicht einmal einen männlichen Diener angetroffen hatte. Verschämt versteckte ich meinen sauberen, nur mit Unterwäsche bekleideten Körper darin, als sie die Tür schloss, ohne nachzufragen, ob ich etwas dagegen hatte.
    „Die Glocke hat geläutet“, erwiderte ich, ohne auf die lächerliche Befindlichkeitsfrage zu antworten.
    „Natürlich. Verschiedene Herrschaften begehrten Einlass in meine Räumlichkeiten. Ich konnte sie mir noch vom Halse halten, doch schon morgen werde ich ihrem Drängen nachgeben müssen – spätestens dann werden sie mit einem gerichtlichen Beschluss wiederkommen und mit Soldaten des Herzogs. Geld und Macht öffnen eben alle Türen.“
    „Was werden Sie jetzt tun, Gräfin?“, fragte ich. „Ich scheine Ihnen eher ein Klotz am Bein zu sein.“
    „Tja, was mit Ihnen zu tun ist, wird sich zeigen. Ich habe schon jemanden zu einer … Freundin entsandt, die sicherlich bereit ist, mir zu helfen. Bis dahin werde ich schon etwas mit Ihnen anzufangen wissen.“
    Sie lächelte so eigenartig. Unsicher lächelte ich zurück. Sie setzte sich auf das Gästebett und strich die Tagesdecke rechts und links von ihr glatt. Wie stets trug sie dunkle Kleidung, die ihre schmale Eckigkeit betonte – das helle Haar war zu einem Knoten gebunden, doch ihre Augen verbarg sie schüchtern unter einem Wimpernaufschlag. Ich räusperte mich.
    „Wie kam es, dass Sie mich gerettet haben, Gräfin?“
    „Ich bin ein guter Geist.“ Sie gestattete sich ein Lachen. „Nein, ich habe die Installation des Ætherlots genutzt und einen der Arbeiter an dem Gerät dafür

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