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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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an, der ist ganz ungefährlich und sehr delikat. Auch Euer Rosmarinbranntwein hat noch nie Schaden angerichtet.«
    »Jedenfalls nicht äußerlich. Also Pfefferminzlikör. Findest du nicht, daß das sehr gesund klingt?« Augusta stützte ihr Kinn in die himbeerroten Hände und seufzte. »Mein plötzlicher Drang, dir ins Handwerk zu pfuschen, Elsbeth«, fuhr sie schließlich fort, »liegt nur daran, daß mir dieser Sommer ganz außerordentlich langweilig erscheint. Abgesehen von Monsieur Bachs neuen Montagskonzerten im Konzertsaal am Valentinskamp, aber die dauern immer nur ein paar kurze Nachmittagsstunden.«
    Nun seufzte auch Elsbeth. Sie rechnete Madame Augusta hoch an, daß sie ihr ihre Respektlosigkeit nicht nachtrug und nahm sich fest vor, am Sonntag morgen in der Katharinenkirche, falls die Predigt wieder so lang geraten würde wie die letzten vier, gründlich darüber nachzudenken, wie man Madame Augusta einen ungefährlicheren Zeitvertreib bieten konnte als das Likör- und Schnapsaufsetzen. Für diesen Tag schlug sie vor, Brooks zu rufen, damit er sie zu Madame Anne hinaus nach Harvestehude in den Garten fahre. Eine Ausfahrt sei nach solcher Aufregung immer noch das allerbeste.
    Niklas stellte erleichtert fest, daß die kurze Mißstimmung schon wieder verflogen war. Er zerteilte seinen dritten Pfannkuchen und überlegte, daß noch genug Zeit sei, schnell zu den Komödianten in die Neustadt hinüberzulaufen. Er mußte unbedingt nachsehen, ob Rudolf schon die neue Donnermaschine gebaut hatte, die er im Frühjahr geplant hatte. Und er mußte Rosina fragen, wann sie ihm endlich zeigen würde, wie man auf ihrer silbernen Flöte spielte. Er mußte Muto unbedingt erzählen … Da fiel es ihm siedendheiß ein. Heute stand Latein auf dem Plan für die Privatstunden, und er hatte, noch ganz beschäftigt mit Simons Streit mit Lehrer Donner, das Buch in seinem Pult im Johanneum vergessen. Natürlich könnte er in das Buch eines der beiden anderen Schüler sehen, mit denen er die mittäglichen Privatstunden bekam. Aber am Montag hatte er schon seinen Katechismus vergessen, und es war doch zu peinlich, wenn er schon wieder – nein. Erst gestern hatte sein Vater ihn mächtig abgekanzelt, weil er ständig etwas vergaß oder liegenließ. Es blieb nichts anderes übrig, er mußte zurück ins Johanneum laufen und das vermaledeite Buch holen. Und bis dahin hoffen, daß der Pedell vergessen hatte, die Tür abzuschließen. Das kam manchmal vor und war das einzige, das man ihm, der die Schüler des Johanneums offenbar ausschließlich als Störenfriede seiner Behaglichkeit empfand, zugute halten konnte.
     
    Niklas hatte Glück. Das Portal des Johanneums am Plan war nicht verschlossen. Behutsam, um die Scharniere nicht lauter als unbedingt nötig knarren zu lassen, schob er die Tür auf und schlüpfte in den Flur. Er wartete nicht, bis sich seine Augen nach der gleißenden Mittagssonne an den Dämmer gewöhnt hatten, sondern zog schnell seine Schuhe aus und huschte auf Strümpfen in den Gang. Er hielt inne und lauschte. Alles war still. Doppeltes Glück. Sicher lag Pedell Töltjes, den Bauch voll mit fettem Speck und Grütze, auf seiner Küchenbank und schnarchte. Madame Töltjes und auch Karla, ihr Mädchen, würden kaum Geschrei machen, falls sie ihn um diese Stunde hier erwischten, sondern einfach wegsehen. Alles andere würde nur Ärger mit Töltjes bedeuten, den die beiden, das wußte jeder, kaum weniger fürchteten als die Johanneum-Schüler. Irgendwo klapperte ein Fenster oder eine Tür. Wahrscheinlich kam es aus der Bibliothek im oberen Stockwerk. Er wandte sich nach rechts, huschte über den Gang und in den rechteckigen Innenhof. Der ihn umschließende Kreuzgang war vor mehr als zweihundert Jahren, als im Zuge der Reformation aus dem Dominikanerkloster eine Lateinschule und ein Damenstift wurden, zu Klassenzimmern umgebaut worden. Damals betrat man die Räume durch Verbindungstüren zwischen den Klassen. Diese Türen waren noch da, aber inzwischen versperrt, statt dessen hatte jedes Klassenzimmer einen eigenen Eingang vom Hof.
    Die Türen waren geschlossen, bis auf zwei, nämlich die der Tertia und der Sekunda, und gewiß lag es daran, daß Niklas die richtige verpaßte und anstatt in die Tertia in die Sekunda sauste. Das glaubte er jedenfalls, obwohl er es später nicht mehr beschwören konnte.
    Er betrat den Klassenraum, und während er sich noch wunderte, warum der Kachelofen nicht wie sonst bei der zweiten Fensternische

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