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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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trotzig den Mund, sagte »Nun ja« und »Wir werden sehen« und fuhr fort, an den hölzernen Verstrebungen herumzuklopfen und immer genau die Stellen zu treffen, die bedenklich morsch klangen.
    Jean beschloß, daß es besser sei, die Vorzüge, die offenbar nur er sah, nicht weiter hervorzuheben. Natürlich hätte er lieber das große neue Theater im Opernhof am Gänsemarkt gemietet, aber das war nicht zu haben. Obwohl die Truppe, die dort seit einem Jahr fest installiert war, zur Zeit in Braunschweig gastierte, war die Bühne nicht wie in früheren Jahren zu mieten. Tatsächlich hatte die Beckersche Gesellschaft noch nie in dem teuren großen Haus gastiert, was ein Glück war, denn dessen tausend Plätze hätte sie niemals füllen können. In Hamburg war ihr Spielort immer die Theaterbude im Hinterhof an der Neustädter Fuhlentwiete gewesen. Die gab es nun nicht mehr, die Krögerin hatte einen Teil ihres Hofes verkauft, und jetzt stand dort ein großer massiver Holzschuppen, in dem sich ein Sattelmacher eingemietet hatte. Was Jean nicht im mindesten störte. Mit dem neuen Programm, insbesondere mit den Vaudeville-Stücken, würde seine Gesellschaft Furore machen (solange der Rat die nicht immer ganz schicklichen Aufführungen nicht verbot), die hölzerne Bude hätte das Publikum kaum fassen können.
    »Sag wenigstens du was, Titus«, rief Jean und hob bittend die Arme wie die fromme, als Ketzerin verleumdete Jungfrau Isabella beim Besteigen des Scheiterhaufens in »Die Unschuld im Feuer«. In diesem Drama, das Jean besonders liebte – Helena, die die ewig jammernde verfolgte Unschuld zu spielen hatte, um so weniger kam am Ende ein edler Ritter (eine von Jeans zahlreichen Lieblingsrollen) und rettete die Jungfrau vor dem Verderben. Für Jean hingegen schien es heute keinen edlen Beistand zu geben. Titus, auf der Bühne der Spaßmacher der Truppe, zeigte sich nicht enthusiastischer als Helena.
    »Nun ja«, sagte auch er, schnaubte und stampfte unvermittelt mit dem Fuß auf. Staub wirbelte durch die stickige Luft, und ein verdächtiges Knarren stieg aus dem Holz. »Wann, hast du gesagt, haben sie diesen Stall neu ausgebaut?«
    »Kürzlich, hat man mir gesagt, und ich habe keinen Grund daran zu zweifeln. Ich …«
    »Du hast allen Grund, daran zu zweifeln, Prinzipal.« Titus ging vorsichtig über die Bühnenbretter, sein Gewicht war nicht das eines Pferdes, das wäre wirklich übertrieben, aber er war doch ein Mann, der eher einer Tonne als einer Pappel glich.
    »Kürzlich? Vor etwa zehn oder fünfzehn Jahren würde ich sagen. Frag Rudolf, der wird es dir genau sagen.«
    Rudolf brauchte einen Nagel nur anzusehen, um zu wissen, vor wie vielen Jahren er eingeschlagen worden war.
    Jean nickte ungeduldig. »Vielleicht ist es ein bißchen länger her als kürzlich. Ein kleines, ganz unbedeutendes Bißchen.«
    »Viel länger.« Helena stieg nun auch auf die Bühne, vorsichtig, als gelte es, ihr Leben auf einem schmalen Steg über schwindelnde Höhen zu bewahren. Sie war eine füllige Brünette, eine wahre Heroine von Stimme und Gestalt, doch neben Titus wirkte sie wie eine Elfe. Beinahe jedenfalls. Sie sah sich um und blinzelte argwöhnisch zu der hölzernen Galerie hinauf, die den ganzen Stall in kaum mehr als Mannshöhe umlief.
    »Auf alle Fälle haben die Kerle, die hier zuletzt gespielt haben, die neuen Bühnenbretter mitgenommen, als sie weiterzogen. Diese hier«, sie klopfte mit der Schuhspitze auf den Boden, »sind zu morsch, als daß in den letzten hundert Jahren auch nur ein Schauspieler darauf hätte deklamieren können, von tanzen ganz zu schweigen. Wir haben in der Tat viele Möglichkeiten, dieses«, sie zögerte, als könne ihr einfach nicht das passende Wort einfallen, »dieses Theater so zu gestalten, wie es unseren Wünschen entspricht. Was sagst du, Rudolf?«
    » Es ist gar nicht so schlimm, wie es aussieht.« Er erhob sich von der Bank, dem einzigen Möbel in dem großen Raum, trat zu einem der Tragbalken unter der Galerie und klopfte energisch gegen das dunkle Holz. »Die Balken sind fest und trocken, kein Holzwurm, keine Fäule, die Galerie habe ich mir noch nicht angesehen, aber auf den ersten Blick sieht sie recht stabil aus. Das war in der Bude an der Fuhlentwiete auch nicht besser. Und die Bühne«, nun zog sich sein ganzes Gesicht in sorgenvolle Falten, »die werden wir neu bauen müssen. Jedenfalls den Boden. Aber das ist eine Kleinigkeit.« Sein Gesicht entspannte sich schlagartig zu einem

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