Die zerbrochene Uhr
oder aussetzen, der bleibt, wo ihm einer was zu fressen gibt. Aber ’ne Katze, die läuft wieder dahin zurück, wo sie hergekommen ist. Die sind so blöd, die Viecher. Gib mir ’n Schilling, dann kriegst du sie.«
» Ich habe keinen Schilling, das habe ich dir schon dreimal gesagt, und ich kann auch nicht verstehen, wozu ich dich bezahlen soll, wenn ich dir eine Mühe erspare und die Katze nehme.«
» Weil, wenn du was für sie bezahlt hast, dann willst du sie auch behalten. Keiner läßt was laufen, wofür er bezahlt hat.«
Für eine Sekunde war es still. » Überhaupt: einen Schilling?« war nun die Frauenstimme wieder zu hören. » Du bist völlig verrückt. Dafür kann ich fast ein Pferd kaufen. Einen halben kannst du haben, und das ist schon unverschämt genug. Dafür kannst du dann auch ein bißchen warten. Ich bring ihn dir noch heute nachmittag, ich muß ihn nur holen. Und jetzt gib mir endlich die Katze.«
Der Mann lachte spöttisch. Das Spiel mit der zornigen jungen Frau, die mit über die Knöchel gerafften Röcken auf der Leiter zum Fleet hinunter stand, begann ihm Spaß zu machen. Sie war ein hübscher Anblick mit ihren blitzenden Augen, der Zornfalte auf der Stirn und den dicken blonden Locken, die sich hie und da aus ihren Kämmen und Bändern lösten. Selbst die Narbe, die quer über ihre linke Wange zum Kinn lief, machte sie nicht häßlich.
» Was heißt das, ich bring ihn dir?« rief er. » Ich hab keine Ahnung, wie die Leute sind, wo du herkommst. Hier bei uns ist jedenfalls keiner so blöde. Wenn du nicht zusehn magst, dann hau endlich ab.«
Auf der Brücke und am Fleet waren Leute stehengeblieben, und auch drüben beim Kran reckten etliche die Hälse und hörten dem Spektakel neugierig zu. Claes und Wagner lehnten sich über das Brückengeländer. Es war ablaufendes Wasser, und die Ränder des Fleets zeigten, daß hier in alter Zeit mehr Sumpf als Sand gewesen war. Ein Pfahlewer lag schon ziemlich schräg im flachen Wasser, davor stand ein Mann bis zu den Knöcheln im Morast und hielt einen Sack in der erhobenen Faust, in dem irgend etwas heftig zappelte und fauchte, ohne Zweifel eine Katze kurz vor ihrem letzten Stündlein.
» He!« rief Claes und winkte dem Mann im Wasser zu. Er zog eine Münze aus seiner Westentasche und hielt sie in die Sonne. » Gib ihr den Sack und hol dir deinen Lohn. Das gilt aber nur, wenn du schnell machst. In einer Minute bin ich weg.«
Der Mann starrte ihn verblüfft an, dann entschied er, daß eine Minute zu kurz war, sich zu wundern, stieg aus dem Fleet und kletterte auf die Brücke. Immer noch hielt er den zappelnden Sack so weit wie möglich von seinem Körper.
» Ihr müßt ja wissen, wofür Ihr Euer Geld ausgebt, Herr«, sagte er, nun gar nicht mehr herablassend, und steckte die Münze, ohne ihren Wert zu prüfen, flink in seine Tasche. » Das Vieh hier«, er hielt den Sack in die Höhe, » kratzt nicht nur, es ist auch bissig wie ein Schlachterhund. Sieht aus wie ’ne Katze, aber ich glaube, sie ist keine. Die hat noch nie ’ne Maus gefangen, bedient sich immer nur in der Küche. So eine muß man ersäufen.«
Claes beachtete den Mann nicht mehr. Er griff nach dem Sack, wobei er dem Beispiel des Mannes folgte und ihn so weit wie möglich von seinem Körper entfernt hielt, und reichte ihn mit vergnügtem Grinsen der jungen Frau, die nun auch die Brücke erreicht hatte.
» Niklas hat schon erzählt, daß Ihr in der Stadt seid, Rosina, aber daß Ihr Euch gleich am ersten Tag mit einem ehrbaren Bürger anlegen müßt, ist wirklich vermessen. Nun habt Ihr also eine Katze. Bestimmt findet Jean eine gute Rolle für sie. Sie hört sich an, als könnte sie sehr hübsch singen, findet Ihr nicht?«
» Ich danke Euch, Monsieur Herrmanns. Ich weiß ja, daß alle Tage Katzen ersäuft werden. Aber sie hat so jämmerlich geschrien in ihrem Gefängnis, als wüßte sie, was ihr bevorsteht. Ich konnte einfach nicht nur zusehen. Den halben Schilling bekommt ihr spätestens morgen zurück.«
» Ihr glaubt doch nicht, daß ich dem Kerl einen halben Schilling gegeben habe? Es war ein Pfennig, und das war schon zu gut bezahlt für diesen bissigen Zappler.«
» Dann danke ich Euch doppelt für den schlechten Handel. Guten Tag, Meister Wagner.« Sie reichte dem Weddemeister, wie Claes Herrmanns ein alter Bekannter, lächelnd die Hand, und Wagner, immer noch mit seinem großen blauen Tuch im Kampf mit seiner schwitzenden Stirn, verbeugte sich. Dabei kam er dem nur
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