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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Monsieur Donner sehr tot aussah. Und er habe auch gleich den Griff der Waffe entdeckt, weil ja Hemd und Weste darum blutig waren.
    » Warum war der Pedell in den Klassenzimmern? Hatte er um diese Zeit dort einen Auftrag?« unterbrach Rosina Wagners Bericht.
    » Einen Auftrag?« Wagner klopfte nachdenkend mit dem Finger gegen die gespitzten Lippen. Dann zog er einen Bleistift aus der Tasche, griff nach einem frischen Zettel und notierte: Töltjes, Auftrag?
    » Dann«, berichtete Wagner weiter, während er noch einen dicken Strich unter das Wort Auftrag zog, » schickte der Pedell sofort Karla, seine Magd, nach dem Rektor. Monsieur Müller habe Besuch gehabt, der neue Herr Scholarch hatte sich gerade im Salon niedergelassen, und so seien beide in den Klassenraum geeilt.«
    » Das stimmt«, sage Claes, » ich war eben erst angekommen. Woher weiß er das?«
    » Dann war der Rektor während der Mittagspause allein?«
    » Rosina, Ihr glaubt doch nicht etwa, der Direktor selbst …« Claes lachte. » Warum eigentlich nicht. Alles ist denkbar. Allerdings kenne ich Müller seit geraumer Zeit, er ist ein wirklich freundlicher und kluger Mensch. Dem Scholarchat ist er wohl zu modern in seinen Ansichten über die Art des Unterrichts, darüber, was und wie unsere Jungen heute lernen und denken sollten, doch ehe er sich vergißt und zum Messer greift, muß schon der Himmel einstürzen.«
    » Gewiß.« Wagner schob wieder einige seiner Zettel herum. » Gewiß. Mademoiselle Rosina hat dennoch recht mit ihrer Frage. Sie kennt den Rektor nicht, und deshalb kann sie sich vorstellen, was Euch, mit Verlaub, unmöglich erscheint. Und wie Ihr gerade sagtet: Alles ist denkbar.«
    » Nun gut. Ich weiß nicht, ob der Rektor während der Pause allein war. Als ich eintraf, es mag halb eins gewesen sein, bereitete seine Mamsell gerade in der Küche einen Imbiß. Außer ihm, Madame Müller und der Mamsell leben zwei Pensionsschüler in der Rektoratswohnung. Hat er mehr darüber gesagt, Wagner? Ich bin mir nicht mehr sicher.«
    Doch, Wagner nickte, der Rektor hatte gesagt, er habe die ganze Mittagspause in seiner Wohnung verbracht. Der ältere der beiden Schüler, Lauritz Gerber, war nicht da. Er war vor einigen Tagen zu seiner Familie nach Lauenburg gereist. Ein Onkel mußte beerdigt werden, vielleicht auch eine Tante oder Großmutter, das wußte der Rektor nicht mehr, es stehe aber gewiß in den Büchern. Madame Müller sei vorgestern mit dem Postewer über die Elbe zu ihrer Schwester nach Harburg im Hannoverschen gereist. Sie werde morgen zurückerwartet.
    Der andere Schüler, an dieser Stelle hatte der Rektor unruhig auf der Bank hin- und herzurutschen begonnen, sei auch nicht dagewesen, obwohl er zum Essen erwartet wurde. Simon Horstedt, ein fleißiger, braver Junge, gewiß habe er nur seine Freude an dem wunderbaren Sommertag gehabt und am Hafen die Zeit vergessen. Er gehe gerne zum Hafen, er liebe wohl die Schiffe, vielleicht habe er auch ein wenig Heimweh und schaue ihnen gerne nach, einige segelten gewiß nach Husum, der Heimat des Jungen. Als Pädagoge halte er natürlich sehr auf Pünktlichkeit und Disziplin, andererseits dürfe ein Junge auch einmal seinen Träumen nachhängen und darüber etwas vergessen.
    Es scheine ihn dennoch zu berunruhigen, hatte Wagner eingeworfen.
    Der Rektor atmete schwer und faltete die Hände so fest, daß die Knöchel weiß hervorgestanden hätten, wären seine Hände nicht so rundlich gewesen. Nein, nicht seine Abwesenheit beunruhigte ihn. Wie er schon gesagt habe, der Junge sei ein braver Schüler, immer sehr höflich, auch hilfsbereiter, als man es in seinem Alter erwarten dürfe. Es sei etwas anderes. Der Tote sei nicht nur sein Lehrer …
    » Aha«, sagte Wagner, aber der Rektor fuhr einfach fort: » Simon ist Sekundaner, aber vor allem, das ist wirklich tragisch: Adam Donner ist auch sein Onkel. Gewesen. Das wußten nur wenige, beide sprachen nie darüber. Kollege Donner war ein sehr, nun ja, pflichtbewußter, auch strenger Lehrer und wollte sich und seinen Neffen nicht dem Verdacht einer Bevorzugung aussetzen. Ich muß deshalb bitten, die Befragung kurz zu machen, ich muß den Jungen finden, bevor er auf der Straße erfährt, was geschehen ist. Später stehe ich Euch wieder zur Verfügung, jederzeit, so lange wie nötig. Aber jetzt, Ihr werdet verstehen, der Junge ist mir anvertraut.«
    Claes hatte an seine beiden eigenen Söhne gedacht und auch an Sophie, seine Tochter im fernen Lissabon, und sich

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