Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
mächtige Gestalt des Antischs. Er lag auf dem Rücken und zitterte. Sein Dreizack war ihm aus den Händen gefallen. Sie zuckten krampfhaft. In der Hitze des Gefechts hatte Taramis nicht an die gefährlichste Waffe der Zeridianer gedacht.
Ihr Blut.
Er war in einem Orden aufgewachsen, dessen Mitglieder ausschließlich vom Zeridia-Archipel stammten. Untereinander brauchten sie den Lebenssaft, der durch ihre Adern pulsierte, nicht zu fürchten. Obgleich er zum Tödlichsten gehörte, das es in Berith gab, dachte Taramis fast nie darüber nach. Hier, vom Seewasser stark verdünnt, hatte das Blut den Antisch offenbar nur langsam vergiftet. Dennoch, das wusste Taramis, würde er sterben.
Auf Knien kroch er näher an den Riesen heran. »Gulloth?«
»Woher kennst du meinen Namen?«, keuchte der Antisch. Seine kehlige Stimme klang ungewöhnlich dumpf.
»Du wirst nicht mehr lange genug leben, um die Geschichte anzuhören. Doch vorher sage mir eins: Bist du ein Kundschafter aus Dagonis?«
»Ja«, antwortete der Feuermensch überraschend unverblümt. Er zitterte wie unter heftigem Schüttelfrost.
Taramis musste an den grauenerregenden Bericht des Jägers von der Nachbarinsel denken. Alles fügte sich zusammen. Er setzte dem Antisch die Schwertklinge an den Hals. »Warum entführen die Dagonisier unsere stärksten Männer?«
Gulloths Antwort bestand in einem verächtlichen Blubbern.
»Seid ihr Sklavenjäger?«
Die Glubschaugen des Feuermenschen schienen Blitze zu verschießen, während er weiter schwieg. Sein Zittern steigerte sich.
Taramis ließ das Schwert sinken. Diese Kreatur fürchtete den Tod nicht mehr, sie sehnte ihn herbei. »Wer Wind sät, wird Sturm ernten«, sagte er grimmig. »Du und deine Brüder, ihr hättet meinem Volk nicht den Frieden rauben sollen.«
»Du Narr!«, stieß der Fischköpfige voller Verachtung hervor. Alle ihm verbliebene Lebenskraft schien in seine hasserfüllte Stimme zu strömen. »Wir werden euch heimsuchen wie eine Plage, die deine schlimmsten Vorstellungen übertrifft. Ihr Menschenvölker seid dem Untergang geweiht. Entweder unterwerft ihr euch Dagons Macht oder ihr werdet alle sterben. Bereits jetzt, während du noch triumphierst, wird dir das Liebste genommen, das du besitzt. Deine …«
Das krampfhafte Zucken raubte Gulloth die Sprache. Es steigerte sich auf grauenhafte Weise, bis sein riesiger Leib jäh erschlaffte.
Taramis sah dergleichen nicht zum ersten Mal. Trotzdem hatte er sich nie daran gewöhnt. Ein paar Tropfen seines Blutes konnten anderen Lebewesen solche unbeschreiblichen Qualen zufügen. Jedes Mal aufs Neue traf ihn diese Erkenntnis wie eine Keule.
Doch nicht er, sagte er sich trotzig, hatte hier mit dem Töten angefangen. Es war der Antisch gewesen. Diese vielgestaltige Kreatur, die ihm noch mit ihren letzten Worten so viel Furcht eingeflößt hatte.
Zornig sammelte er seinen Willen und bezwang das Gift in seinem Körper. Die erschlafften Muskeln spannten sich. Entschlossen nahm er das Schwert Malmath in beide Hände und trennte damit Gulloths Kopf vom Rumpf.
Bittersüßer Triumph
G ulloths blutiges Haupt steckte auf einer langen Stange. Taramis ließ es in der Mitte des Dorfplatzes zurück. Im Licht der untergehenden Sonne wirkte es noch schauerlicher, als es ohnehin aussah. Es sollte allen Dagonisiern fortan eine Warnung sein, hier nie wieder auf Beutefang zu gehen. Wenn das Fleisch des Feuermenschen längst verwest war, würde sein unverwechselbarer Schädel noch jahrelang von der Wehrhaftigkeit der Zeridianer zeugen.
Die Trophäe machte die Rückkehr ins Dorf zu einem Triumphzug. Jeder konnte sehen, dass Taramis, Sohn der Lasia, nicht nur ein ruhmreicher Tempelwächter war, sondern auch ein großer Jäger. Einen bitteren Beigeschmack hatte die Freude für jene Familien, die ihre Söhne, Männer und Väter betrauerten. Von ihnen gab es keinerlei Lebenszeichen, auch Xydias Bruder blieb verschwunden.
In Taramis regte sich eine dunkle Ahnung. Wie tödliche Flüche hallten Gulloths Hasstiraden in seinem Geist nach. Einem Orakel gleich hatte der Fischkopf eine entsetzliche Heimsuchung verheißen, eine Plage, die nicht weniger als den Untergang der Menschenvölker bringen solle. Sich selbst sparten die dagonisischen Kiemenatmer dabei wohl aus.
Eine Plage? Hatte der sterbende Antisch bewusst diesen unheilvollen Begriff aus den alten Weissagungen benutzt?
So finster diese Drohung auch klang, bei Weitem schlimmer waren für Taramis die allerletzten Worte des
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