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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gespielter Schwerfälligkeit aus dem Schneidersitz hoch und begleitete die Mädchen zum Kreis der Tanzenden.
    Unter Gulloths Haupt sang er eine Weile lauthals und tat so, als fände er Freude an den rhythmischen Bewegungen im Takt der Trommeln. Das wohlbeleibte Mädchen gab sich alle Mühe, ihn mit den unglaublichsten Verrenkungen zu beeindrucken. Immer wieder spähte er an ihr vorbei zu Zorbas hinüber, der ihn nicht aus den Augen ließ. Als endlich ein anderer Stammesältester den Häuptling in ein Gespräch verwickelte, zog sich Taramis unauffällig aus dem Kreis zurück. Nach wenigen Schritten verschmolz er mit den Schatten der Nacht.
    Die Vorbereitungen für seine überstürzte Abreise hatte er schon vor Festbeginn getroffen; das Marschgepäck eines Tempelkriegers war schnell gepackt. Mit Ausrüstung und Proviant schlich er sich, von innerer Unruhe zur Eile angetrieben, zu den Weideplätzen der Reit-, Flug- und Schwalltiere am Seeufer.
    Schwalltiere waren Wesen, die sich aus eigener Kraft durch den Äther bewegen konnten. Wenn Menschen auf ihnen reisten, sprachen diese gewöhnlich von Schwallern. Früher, so behaupteten es das heilige Buch Jaschar und die Annalen von Berith , sei die Welt eine Kugel gewesen, auf deren Oberfläche die Bewohner herumgekrabbelt seien wie Ameisen auf einer Melone. Taramis konnte sich so etwas nur schwerlich vorstellen.
    Laut den alten Überlieferungen hatte ein rebellischer Sohn Gaos namens Melech-Arez die Welt erschaffen. Dieser habe sein Werk der Legende nach mit dem vollkommenen Menschen krönen wollen. Stattdessen brachte er allerlei Bastardgeschlechter hervor. Dazu gehörten die amphibischen Zeridianer, die geflügelten, weißblütigen Zioraner und die kiemenatmenden Antische von Dagonis. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit waren sie alle Menschen. Außerdem erweckte Melech-Arez wilde Bestien zum Leben, die meisten ohne, einige mit Verstand.
    Weil seine Kreaturen im Laufe der Zeit zunehmend entarteten, habe sein Vater schließlich den Weltenball zerschmettert. Belimáh, der leere Raum, verschluckte die meisten Trümmer. Doch Gao ließ Berith nicht gänzlich untergehen, sondern umhüllte einige Bruchstücke mit Luftblasen. Alle geretteten Scherben umgab er wiederum mit einer schützenden Sphäre, die er Aura nannte. Diese füllte er mit Äther, einem Stoff, der dünner war als Wasser und dicker als Luft. Und weil man in diesem besonderen Ozean weder schwimmen noch fliegen konnte, hatten die Berither der Bewegung im Äther einen eigenen Namen gegeben: das Schwallen .
    Seit Gaos Heilung schwammen die Inseln nun also wie Brotkrumen in der Brühe des Ätherischen Meeres. Gewöhnlich folgten sie dabei festen Bahnen. Nur manchmal brach eine der Schollen aus, vielleicht weil ein Meteorit sie getroffen hatte oder aus anderen, noch rätselhafteren Gründen.
    Ein Pfiff gleich dem näselnden Klang einer Schalmei hallte durch die Nacht. Allon hatte das Kommen seines Herrn bemerkt. Das Mamogh richtete sich erwartungsvoll in seiner ganzen, imposanten Höhe auf.
    Der Name des Tieres, der »stattlich« bedeutete, beschrieb die gefiederte Riesenschwallechse nur unzureichend. Majestätisch wäre wohl das treffendere Wort. Allons Flügelspannweite betrug nicht weniger als zehn Schritte, seine Kammhöhe etwa siebeneinhalb. Vollständig aufgerichtet überragte er Taramis um das Vierfache. Dieser konnte unter seinem Gefährten stehen, ohne dessen Bauch zu berühren, so lang waren Allons vier stelzenartige, klauenbewehrte Beine.
    Wie Zeltplanen spannten sich die mit weichem Flaum bedeckten Schwallhäute zwischen den Gliedmaßen. Gemessen an der enormen Körpergröße des Tieres, waren die Schwingen trotz ihrer beachtlichen Fläche zum Fliegen eigentlich zu klein. Daher verfügten die riesigen Echsen wie die meisten Amphibien, deren Lebensraum sich vom Ätherischen Meer bis zu den Luftsphären der Inseln erstreckte, über zusätzliche natürliche Auftriebshilfen. Ihre netzartig verstrebten Knochen enthielten ein Gasgemisch, das viel leichter war als Luft. Zudem besaßen sie eine sogenannte Schwallblase, ein Organ, in dem sie die Menge des Auftriebsgases zu variieren vermochten. So konnten sie sich mit Leichtigkeit in den Äther emporschwingen und ebenso elegant auf den Inseln niedergehen.
    Am Kopfansatz zierte ihren Schwanenhals eine feuerrote Krause aus beweglichen Kiemenästen, die ihnen das Atmen sowohl unter Wasser als auch im Weltenozean ermöglichte. Sie bildete gewissermaßen einen Kranz, auf dem

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