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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Marionette?
    Lauernd standen sich die Kontrahenten gegenüber. Taramis ließ seinen Geist auf den Stab einwirken. Es kostete ihn schon Mühe, bewegliche Gegenstände mit der Kraft des Willens zu lenken, hier musste er vollends passen. Sosehr er auch an der Waffe rüttelte, er bekam sie nicht frei. Während ihm aus den linsenförmigen Pupillen der Echse die pure Häme entgegenschlug, überkam ihn ein Gefühl der Reue.
    Wäre er seinem väterlichen Lehrmeister nur ein besserer Schüler gewesen! Marnas hatte ihn oft genug ermahnt, über den unermüdlichen Waffenübungen seine mentalen Fähigkeiten nicht zu vernachlässigen. In der Tempelgarde dienten einige der begabtesten Geistkämpfer von Berith. Aber der junge Eigenbrötler war stur geblieben. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man der spirituellen Seite seines Ichs nicht trauen konnte.
    Kein Wille, und sei er noch so stark, vermochte ihm nämlich ein Haar zu krümmen. Ein fester Blick in die Augen eines Widersachers genügte Taramis, um den Spieß umzudrehen: Wer ihn mit Blindheit schlagen wollte, verlor selbst das Augenlicht, und Bannsprüche fielen umgehend auf die Verfluchenden zurück. So war schon manchem die eigene Macht zum Verhängnis geworden. Meister Marnas nannte diese Begabung Spiegeln; er zählte sie zum Vermächtnis des geheimnisvollen Vaters seines talentiertesten Schülers.
    Gegen körperliche Gewalt und List war Taramis indes ebenso wenig immun wie gegen indirekte mentale Angriffe oder die vielfältigen Spielarten der Illusion. Er gehörte selbst zu den Gauklern, die Trugbilder erschaffen konnten, wie andere Vogelstimmen nachahmten. Derlei Schimären auf den Wolfsdrachen loszulassen, konnte allerdings ins Auge gehen. Wer immer sich hinter der tierischen Maske verbarg, war ebenfalls ein Meister der Täuschung und ließ sich bestimmt nicht so leicht blenden.
    Taramis zückte das Schwert.
    Die hässliche Echse fasste diese Geste offensichtlich als Kampfansage auf. Aus ihren Nüstern fauchten zwei Flammenzungen. Brüllend stürmte sie auf den Menschen los.
    Taramis wirbelte herum und floh. Seine Chance würde kommen, aber nicht jetzt und hier. Malmath stieß er fürs Erste wieder in die Scheide zurück. Hoffentlich war der Wolfsdrache kein Langstreckenläufer. Der abschüssige Hohlweg mündete nach ungefähr einer halben Meile am Ufer des Sees. Spätestens dort würde sich entscheiden, wer von beiden der größere Jäger war.
    Unter dem Eindruck der Zähen Zeit wirkte die Echse hinter Taramis wie benommen. Sie brüllte und fauchte wütend, erreichte ihr volles Tempo aber erwartungsgemäß erst, nachdem er bereits fünfzig Schritte gesprintet war. So gewann er den Freiraum, den er für seinen Plan brauchte. Seine scharfen Augen entdeckten die Etappenmarke Nummer eins, einen großen Felsbrocken auf der rechten Seite. Behände bückte er sich dahinter, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er einen zeridianischen Jagdspeer in der Hand. In vollem Lauf drehte er sich um und schleuderte die Waffe auf das Ungeheuer.
    Der Wolfsdrache wich dem Geschoss mühelos aus. Er brüllte zornig und spie abermals Feuer. Zum Glück waren die Flammenzungen viel zu kurz, um auch nur in die Nähe des Menschen zu kommen.
    Nach knapp einhundert Schritten erreichte Taramis das zweite Versteck. Wieder beugte er sich nach unten, förderte einen Wurfspieß zutage und schickte ihn noch in derselben Bewegung der Echse entgegen. Losgelöst von der Zähen Zeit zischte die Waffe durch die Luft.
    Der Wolfsdrache war nur dem Anschein nach träge. Seine geradezu unheimlichen Reflexe retteten ihn abermals vor dem tödlichen Stahl. Er duckte sich genau im richtigen Winkel, um den Speer an seiner dicken Lederhaut wirkungslos abgleiten zu lassen.
    Taramis rannte weiter. Die folgende Etappe war lang. Zügig holte die Echse auf. Schon tauchte vor ihm das Ende des Hohlweges auf. Dahinter glitzerten die smaragdgrünen Fluten des Sees. Der Zeridianer meinte im Nacken bereits den feurigen Atem des Drachen zu spüren, als er endlich das nächste Versteck erreichte. Aus einem Felsspalt riss er Speer Nummer drei. So geschmeidig wie zuvor nutzte er die Kraft seiner Bewegung, um die Waffe wie vom Katapult geschossen davonschnellen zu lassen.
    Diesmal flog der Spieß steil nach oben.
    Der Wolfsdrache triumphierte mit Getöse über den offenkundigen Fehlwurf.
    Taramis kam stolpernd zum Stehen, zog dabei sein Schwert und drehte sich um. Die Lider hielt er

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