Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
»Nein, Ischáh. Du bist nach wie vor meine Freundin. Aber versetz dich bitte in meine Lage. Du bist auch eine sehr begehrenswerte Frau. Was du eben getan hast …« Er schüttelte den Kopf. »Das darf ich nicht zulassen. Ich liebe Shúria und werde sie immer lieben. Solange ich hoffen kann, sie lebend wiederzusehen, wird es für mich keine andere geben.«
Ischáh hielt den Blick gesenkt. »Das verstehe ich. Ich weiß selbst nicht, was da gerade über mich gekommen ist. Ich glaube, ich hatte Angst, dich zu verlieren. Ich wollte dich festhalten. Irgendwie. Der Kuss …« Sie sah scheu zu ihm auf. »Das war dumm von mir. Bitte vergib mir.«
Er gab ihre Hand frei und legte die seine an ihre Wange, um ihr mit dem Daumen eine besonders dicke Träne abzuwischen, die im Mondlicht funkelte. Einen Moment lang tauchten ihre Blicke ineinander, dann ließ er den Arm rasch wieder sinken und trat einen Schritt zurück. »Wenn es etwas zu verzeihen gibt, so tue ich es gerne. Ich habe dir unendlich viel zu verdanken. Dich nicht mehr als Freundin zu haben, würde mir das Herz zerreißen.«
»Ist das wahr?«, fragte sie mit hoher, bebender Stimme.
Er nickte. »Ja. Doch jetzt musst du zurückgehen, Ischáh. Diese Nacht könnte noch andere Überraschungen für mich bergen. Ich brauche Gefährten, die mich davor bewahren.«
21. Ein riskantes Spiel
I hre Angst hatte in den letzten zwei Tagen stetig zugenommen. Shúria fühlte sich ununterbrochen überwacht. Im Hetärenhaus mit seinem idyllischen Garten und dem großen Saal, den halb transparente Tücher in verschiedene Bereiche unterteilten, gab es ohnehin keine Privatsphäre. Bürstete Siath ihr das Haar, sah wie zufällig eine andere Haremsdienerin zu. Herzte sie Ari, stand ein Eunuch in der Nähe und beobachtete die beiden. Sogar wenn Shúria aus dem Schlaf hochschreckte, entdeckte sie irgendwo ein Augenpaar, das auf sie gerichtet war. Anfangs hatte sie es auf die besonderen Umstände ihrer neuen Umgebung geschoben. Mittlerweile aber war sie sich mit Siath darin einig, dass Og sie bespitzeln ließ und es nicht einmal verbergen wollte. Dafür gab es nur eine Erklärung: Er misstraute ihr.
Am Abend hatte sie erneut der Ruf ins Schlafgemach des Königs ereilt. Seitdem wurde sie präpariert, um ihm ein Höchstmaß an Wonnen zu bereiten. Man badete sie, enthaarte sie, kämmte sie, beseitigte kleinere Hautunreinheiten, behandelte Körperöffnungen je nach Art mit unterschiedlichen Duftessenzen. Alles fand unter strenger Kontrolle von Adluh statt, der ältesten der Haremsdienerinnen, einer ungefähr fünfzigjährigen Hexe, die früher einmal schön gewesen sein mochte. Jetzt wirkte sie nur noch verhärmt und verbittert. Ihrem eiskalten Blick entging nichts.
Die Stunde war schon vorgerückt. Vielleicht hatte Og es sich ja anders überlegt, hoffte Shúria. Sie lag auf einem hohen Diwan, bäuchlings und nackt. Siath rieb ihre Haut mit einem duftenden Öl ein. Als die Freundin ihren Nacken massierte und ihre blonden Haare über Shúrias Kopf hinwegflossen, flüsterte sie: »Ich hab alles versucht, aber ich konnte dir keine neuen Kräuter besorgen.«
»Es ist genug!«, bellte Adluh. Sie trat an die Liege und drängte die Ganesin grob zur Seite. Ihr Lächeln hatte etwas Befremdendes, weil zwischen ihren Zähnen riesige Lücken klafften wie bei einem alten Lattenzaun.
Shúria schloss die Augen. Sie hatte schon einmal durchgemacht, was sie nun erwartete.
»Hast du Waffen dabei, irgendetwas, das deinen Liebhaber verletzen könnte?«, blaffte die Haremsdienerin.
»Nein.«
»Dann lass mich nachsehen.« Adluhs Hand untersuchte Shúrias Darmausgang. »Ganz locker, Schätzchen.« Und fuhr ihr grob zwischen die Beine.
Sie versteifte sich.
»So nützt das nichts. Dreh dich um.«
Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie noch ihren Sternensplitter trug. Das Halsband lag unter ihrem Haar. Sie wollte das Andenken an Taramis auf keinen Fall verlieren.
»Jetzt zier dich nicht. Zum Kuscheln such ich mir keine Amphibie. Auf den Rücken, habe ich gesagt.«
Bedächtig drehte sich Shúria so um, dass der Anhänger, verdeckt vom Vorhang ihrer schwarzen Haarpracht, nach hinten glitt.
»Beine breitmachen«, verlangte Adluh. Sie hatte das dunkle Lederband am Hals der Hetäre also noch nicht bemerkt.
Widerwillig gehorchte Shúria. Zornig funkelte sie Siath an, während die Hexe ihre Scham untersuchte. Das Gesicht der Ganesin war hart und ausdruckslos. Sie hatte die entwürdigende Behandlung schon
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