Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
schürte er mit Menschenopfern Angst, um damit sein boshaftes Treiben zu befeuern.
Ob Gaal in der Verkörperung eines Lungenatmers auch auf die regelmäßige Einnahme des Neschamahs verzichten konnte? Auf sein Volk im Allgemeinen traf das jedenfalls nicht zu. Mit der Vernichtung der Insel Zin hatte Taramis die Dagonisier vom Mosphat-Nachschub abgeschnitten. Ohne das daraus gewonnene türkisfarbene Pulver waren sie in den Lufthüllen der berithischen Inseln so hilflos wie Fische am Strand.
Und wie haben sie Jâr’en überfallen?
Er schüttelte den Kopf. Irgendetwas in seinem Gedankengebäude stimmte noch nicht. Da gab es eine geheime Kammer, die er bisher nicht gefunden hatte.
»Taramis?«
Die leise Stimme ließ ihn von dem Felsen hochfahren, auf dem er gerade sinniert hatte. Die Ganesin stand neben ihm. »Was gibt es, Ischáh?«
»Wir warten seit zwei Stunden.«
Er nickte.
»Soll ich die Männer wieder in die Kapsel schicken?«
»Nein. Wir dürfen so kurz vor dem Ziel nicht unvorsichtig werden. Vielleicht haben sie einen Hinterhalt gelegt. Ich werde mit Allon hinausschwallen und mich nach den Ätherschlangen umsehen.«
»Bist du der Anstrengung denn schon gewachsen? Du solltest das, was dir und deinem Seelenbaum widerfahren ist, nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
»Keine Sorge. Das tu ich nicht.«
Kurz darauf schwang sich Allon übermütig in die Lüfte der kleinen Felseninsel empor. Die Enge in der Kiemenkapsel war für ein Geschöpf wie ihn eine harte Probe gewesen.
Eine halbe Stunde lang schwallten das Ippo und sein Reiter zwischen den Trümmern herum. Von den Ätherschlangen fehlte jede Spur. Sie mussten weitergezogen sein. Hoffentlich.
Taramis kehrte zu der Scholle zurück und überredete seinen geflügelten Gefährten, abermals den Kristallstall aufzusuchen. Die Klappen der Kapsel wurden luftdicht verschlossen und Narimoth setzte seine Reise fort.
»Ich glaube, es ist nun Zeit, die Kleider zu wechseln«, sagte Taramis zu Jagur.
»Du kannst deinen Jägerrock behalten«, knurrte der Kirrie.
»Stell dich nicht dümmer, als du bist. Ich rede vom Hemd der Unverwundbarkeit.«
Die Karawane war spät dran. Sie kam von Ebal, der viertgrößten Insel des Reiches, aus dessen letztem Winkel gewissermaßen, denn es lag ungefähr einhundert Schwallstunden von Komana entfernt. Eigentlich hatten die Reisenden auf den etwa sechzig Schwallern schon am Vorabend des Auferweckungsfestes in Peor eintreffen wollen, doch ein Stau auf der Route führte zu unvorhersehbaren Verzögerungen. Die vielen neuen Inseln, die sich auf dem Weg zusammenballten, wollten erst einmal umschwallt sein. Danach habe sich der Karawanenführer dann auch noch verirrt, klagte ein Pilger Taramis sein Leid.
Ischáh hatte es geschafft, ihren Donnerkeil im Gewirr der Schollen unbemerkt ans Ende des Zuges zu setzen, der aus unterschiedlichsten Tieren bestand. Jetzt waren sie am Stadtrand von Peor in dem völlig überfüllten Hafen angekommen und kämpften sich durch die Menschenmassen stadteinwärts.
Die Ganesin war in ein blassgrünes Kleid gehüllt. Dazu trug sie einen langen, dunkelgrünen Umhang und eine Kette aus schwarzen Perlen. Ihr blondes Haar hatte sie hochgesteckt und ebenfalls mit Perlen geschmückt. So hoffte sie, unter den gut betuchten Festtagsgästen im noblen Stadtzentrum weniger aufzufallen. Was sie dort im Schilde führte, würde schon genug Aufsehen erregen.
Taramis hatte sich das Hemd Leviat einfach übers Wams gezogen. Auf wundersame Weise passte es sich nach einigem Ziehen und Stauchen seinen Körperproportionen perfekt an. Er fand das Drachenhemd weder zu kurz noch zu lang, weder zu eng noch zu weit. Überdies schien das weißgraue Gewebe zu atmen und bei der brütenden Hitze für angenehme Abkühlung zu sorgen. Weil es in der Sonne aufsehenerregend changierte, sah er wie ein wohlhabender Pilger auf seinem stolzen Rappen aus. Die beiden anderen Mitreiter störten das erhabene Bild allerdings etwas.
Der Ganesin hatte Taramis – er kannte sich selbst nicht mehr – auf dem Ipporücken den Platz vor seinem eigenen angeboten. Schon um Keters willen, der in letzter Zeit immer häufiger Anflüge von Eifersucht bekam, gestattete er überdies Jagur, ganz vorne zu sitzen. Allon hatte also einiges zu schleppen.
Die übrigen vier Männer mussten sich aus eigener Kraft durchs Gedränge schieben. Um Almin zu schonen, hatte Ischáh ihn bei Narimoth am Hafensee zurückgelassen. Seine mangelnde Belastbarkeit infolge der in
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