Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
aus.«
»Wie, ausprobieren?«
»Nehmt Euren Dolch und versucht mich damit zu erstechen.«
»Ihr seid nicht nur verrückt, sondern auch noch lebensmüde.«
Blitzschnell schoss Taramis’ Hand vor, riss den Runddolch aus dem Gürtel des Hauptmannes und stach ihn sich gegen den Bauch. Den nicht ganz schmerzfreien Aufprall überspielte er mit seinem breitesten Lächeln, hielt seinem Gegenüber die Waffe hin und sagte fröhlich: »Nichts passiert.«
»Das ist nur irgend so ein Trick«, behauptete der Gardist, während er den Dolch unwirsch zurücknahm.
»Dann überprüft es selbst.«
Der Hauptmann befühlte das Gewand des vermeintlichen Sonderlings und drückte ihm mit seiner Hand in den Bauch, konnte jedoch weder Harnisch noch Kettenhemd entdecken. »Sonderbar.«
»Nein, es ist echt. Kommt, versucht es. Solltet Ihr mir den Leib aufschlitzen, ist es meine Schuld. Aber bitte stecht fest auf mich ein, damit Euch nachher keine Zweifel kommen.«
Der Gardist drehte den Dolch in seiner Hand. Plötzlich stieß er zu.
Taramis hatte die Attacke in der Zähen Zeit vorausgesehen und seine Bauchmuskeln angespannt. Trotzdem tat der kraftvoll ausgeführte Stoß höllisch weh. Er ließ sich jedoch nichts anmerken und zwang sich zu einem Lächeln. »Glaubt Ihr mir jetzt, dass der König ganz versessen auf dieses Hemd ist?«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Og lag voll bekleidet auf seinem Bett und starrte zum Baldachin hinauf. Zum Schlafen war er viel zu aufgeregt. Er wollte zumindest für das Ritual ausgeruht sein. Sich mit der schönen Shúria zu vereinen, das würde dem Pflichtprogramm des Nachmittags die richtige Würze geben. Wann hatte er jemals eine so aufregende Braut gehabt …?
Ein Klopfen an der Tür, die zum Ankleidezimmer führte, störte ihn auf.
»Ja?«, rief er unwillig.
Die Tür öffnete sich und Selvya streckte den Kopf herein. Er hatte ihr die Nachlässigkeit bei der Zeridianerin schon vergeben. Als Schätzerin war die rothaarige Schönheit für ihn zu kostbar, als dass er ihre Dienste missen wollte. So unverzichtbar sogar, dass er sie niemals angefasst hatte. »Bitte verzeiht, Majestät«, sagte sie. »Im Garten draußen wartet ein Besucher. Er lässt sich nicht abweisen. Der Mann behauptet, Euch die legendäre Tunika von König Dov zu bringen. Ihr wüsstet schon …«
»Leviat?« Og keuchte vor Anstrengung, als er sich ungewohnt schnell zum Sitzen hochstemmte. Die Geschichte vom Anführer der Kirries und seiner Unverwundbarkeit in der Schlacht von Jâr’en war ihm geläufig. Einmal hatte er seinem fischköpfigen Bruder gegenüber erwähnt, wie sehr er sich das Hemd für seine Sammlung wünsche. »Wer ist dieser Mann? Und woher hat er seine Gabe?«
Selvya öffnete die Tür etwas weiter und trat ins Schlafgemach. »Er behauptet, dafür einen doppelköpfigen Drachen erschlagen zu haben. Selbst wenn ich seine Hände nicht gehalten hätte, würde ich ihm glauben. Er leuchtet.«
»Er leuchtet? «
Sie nickte. »Im Sonnenlicht fällt es kaum auf. Er nennt es Drachenaura. Sein Name ist Taramis, so wie der berühmte Held.«
»Taramis?«, japste Og. Erschrocken sah er sich um, so als könne besagter Mann durch irgendeine Wand springen und sich auf ihn stürzen. Dann hatte Bochim also gelogen, als er behauptete, den ehemaligen Hüter von Jâr’en ebendort getötet zu haben. Eine Ganesin und ein übellauniger Kirrie könnten aufkreuzen, um Shúria zu befreien, sagte er. Vom Ehemann der Schönen war indes nie die Rede gewesen.
»In Kürze beginnt das Ritual. Soll ich den Besucher wieder wegschicken?«, brachte sich Selvya in Erinnerung.
Der König blinzelte. Sein Blick schweifte zu dem verhangenen Fenster, hinter dem zehntausend Schaulustige auf seinen großen Auftritt warteten. Würde er durch den Spalt zwischen den goldgelben Samtvorhängen spähen, könnte er die Braut und ihre Dienerin auf dem Podest sehen. Das Hemd der Unverwundbarkeit! Um nichts auf der Welt wollte er darauf verzichten. »Nein! Er darf vortreten. Doch zuerst ruft meine Leibgarde herein. Am besten auch ein paar Bogenschützen. Zwei Dutzend Krieger sollten genügen.«
Ungeduldig wartete Taramis auf der Terrasse, die an das Schlafgemach des Monarchen grenzte. Sein Schwert und sogar den Feuerstab hatte er vor dem Garten abgeben müssen. Erst danach durfte er der Schätzerin sein Anliegen erklären und musste seine Hände in die ihren legen.
Er fragte sich immer noch, ob es Zufall oder göttliche Fügung war, dass
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