Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
den Kopf, riss ihn zu sich heran und zerquetschte ihm mit einem kräftigen Ruck den Brustkorb. Nachdem ihm der Hakkorer das Breitschwert abgenommen hatte, stieß er den schlaffen Körper vom Bock, öffnete den Kasten unter dem Sitz und verteilte die darin liegenden Waffen an seine Kameraden.
»Kein unnötiges Blutvergießen!«, erinnerte Taramis die Gefährten an ihre Absprachen. Unterdessen war er mit vier schnellen Sätzen bei dem kleinen Wachhaus angelangt und setzte die orientierungslosen Posten mit dem umhüllten Feuerstab außer Gefecht.
Ehe die verbliebenen acht Stadtwächter noch wussten, wie ihnen geschah, kamen Ischáhs Männer über sie. Ohne Augenlicht waren die Komanaer den Gegnern hilflos ausgeliefert.
»Lasst mir was übrig!«, bettelte Jagur. Unentschlossen schwang er seine Axt.
Reibun schlug dem letzten Soldaten die breite Flachseite seiner Klinge ins Gesicht, was ihn aus dem Sattel hob und scheppernd auf dem Pflaster landen ließ. »Zu spät.«
»Ihr wisst ja, was Ihr zu tun habt«, rief Taramis. Ischáh war zu ihm geeilt, um ihm mit Bohans Schwert die Fesseln zu durchschneiden.
»Verwirrung stiften, dir den Rücken decken, unsere Flucht sichern«, fasste sie das Besprochene in Stichworten zusammen.
Er nickte. »Bitte seid vorsichtig.«
»Darf ich mir deinen geflügelten Schatten ausleihen? Ich muss einigen Straßenkötern meine Reverenz erweisen.«
»Nimm ihn. Allon ist gut bei dir aufgehoben.«
Der Kirrie betrachtete die am Boden liegenden Gegner und brummte unwirsch: »Das habe ich mir irgendwie erhabener vorgestellt.«
Taramis legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir sind jetzt im Krieg, wackerer Freund. Der ist nie erhaben.«
Der wie die Lauffläche eines Wagenrades um das Palastkreuz verlaufende Ring aus Bäumen war Sperrgebiet. Weil an diesem Tag zahlreiche Besucher den Park bevölkerten, standen die Leibgardisten hier dicht gestaffelt. Unbemerkt würde so leicht niemand vom öffentlichen in den privaten Bereich wechseln können.
Taramis überlegte nur kurz, ob er sich mit irgendeiner Gaukelei an ihnen vorbeistehlen sollte. Wegen der unberechenbaren Begleiterscheinungen entschied er sich dagegen: Trugbilder drückten unter ihren Füßen kein Gras nieder, ließen keinen Kies knirschen und auch das mit den falschen Schatten war eine ziemlich knifflige Angelegenheit. Er lief geradewegs auf einen schwarzhaarigen Recken mittleren Alters zu, dessen silberner Brustadler ihn als höherrangigen Soldaten auswies.
»Da wäre ich«, sagte er zu dem Gardisten.
Der Mann musterte ihn verwundert von oben bis unten. »Ich kenne Euch nicht, Herr.« Das schillernde Drachenhemd nötigte ihm offensichtlich Respekt ab.
»Ja, hat der Kommandant Euch nicht informiert?«, gab sich Taramis überrascht.
»Mich? Worüber?«
Taramis verdrehte die Augen. »Über den Boten, den Euer Herr schon so dringend erwartet.«
»Der König? Euch? Wer sagt mir, dass Ihr nicht nur einer von den Festgästen seid? Ich kann Euch nicht durchlassen. Wir haben strikte Order …«
»Euer Pflichtbewusstsein in allen Ehren«, unterbrach Taramis den verwirrten Gardisten, »wenn Og jedoch erfährt, dass Ihr ihm das Drachenhemd vorenthalten habt, seid Ihr reif für den Ofen.«
»In welchem Ton sprecht Ihr über Seine Majestät?«
»Wie es ein enger Vertrauter eben tut. Ich bin im Palast schon unter der Regentin, seiner Mutter, ein und aus gegangen.«
»Und was ist bitte schön ein Drachenhemd?«
Taramis deutete mit eleganter Geste an sich herab. »Dies hier. Die legendäre Tunika, die der Zwergenkönig Dov in der Schlacht von Jâr’en getragen hat. Man nennt sie auch Leviat, das Hemd der Unverwundbarkeit, weil es …«
»… unverwundbar macht?«, riet der Gardist und lachte. Er wandte sich dem nächststehenden Posten zu und beschrieb mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung vor seiner Schläfe. Seine Heiterkeit verflog so schnell, wie sie gekommen war, als er sich wieder dem vermeintlich närrischen Besucher zuwandte. »Hübsche Geschichte. Und jetzt trollt Euch zu den Festbesuchern zurück oder ich lasse Euch arretieren.«
»Probiert es ruhig aus!«, sagte Taramis.
»Was?«
»Euch dürfte bekannt sein, dass Og seltene und exotische Stücke sammelt. Das Drachenhemd soll die Krönung seiner Kollektion sein. ›Wenn Ihr kommt, um es mir zu bringen‹, so hat er zu mir gesagt, ›lasst Euch nicht zurückweisen. Ich bin immer für Euch da.‹ Hier also stehe ich. Solltet Ihr mir nicht glauben, dann probiert es
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