Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
hölzernen Schaft und schmetterte ihn dem zweiten Soldaten gegen den Hals. Nun waren die vorauslaufenden Leibwächter in seinem Rücken. Er hörte, wie sie ihre Schwerter zückten, stieß den Stab abermals nach hinten, wo Ez eine Nase brach, und lenkte ihn gegen das heransausende Schwert des vierten.
»Ich bin auf Eurer Seite«, keuchte Peridas.
»Ach, und deshalb ziehst du dein Schwert gegen mich?«
»Nur, um mich vor Eurem Zorn zu schützen. Selvya hat mir alles erzählt. Wir sind verlobt. Sie hat Shúria davor bewahrt, vom König bestiegen zu werden.«
Taramis ließ den Stab sinken. »Ist das wahr?«
Der Lockenkopf nickte.
»Wo ist der König jetzt?«
»Er bereitet sich innerlich auf das Ritual vor. Im letzten Jahr hat er das im ›Gemach des Großen Fisches‹ getan, einem Andachtsraum gleich neben dem Ankleidezimmer.«
»Ist er dort allein?«
»Gewöhnlich ja.«
»Kannst du mich zu ihm bringen?«
»Wozu?«
»Das erzähle ich dir unterwegs. Erst müssen wir hier verschwinden.«
In dem begrünten Kreissegment war kaum zu ahnen, dass hinter einem der angrenzenden Palastflügel eine lärmende Menschenmasse wie ein Raubtier auf das Opfer lauerte.
Dieses Opfer sollte Shúria sein.
Allein die Vorstellung, wie Og seine Fleischmassen über ihren zarten Körper wälzte, verursachte Taramis Brechreiz. Während er mit dem jungen Leibgardisten durch den Park hetzte, konnte er seine Gefühle nur mit Mühe im Zaum halten. Zu viele Gedanken kreisten in seinem Kopf.
Ich habe mich dazu durchgerungen, weil ich glaube, dass dein persönliches Schicksal mit dem deiner Welt verbunden ist.
Seltsam, dass ihm ausgerechnet jetzt die Worte seines Vaters in den Sinn kamen. Ging es also in Wahrheit gar nicht um Shúria, Ari und Taramis? Waren sie nur Werkzeuge des Herrn der Himmlischen Lichter, um Berith vor einem neuerlichen Weltenbruch zu retten? Das mit dem Reif der Erkenntnis jedenfalls hatte er gründlich versiebt. Er musste Og noch erwischen, bevor er sich auf den Weg zum Dach des Palastes machte, sonst wäre alles verspielt.
Um möglichst nicht von den Leibgarden des Königs entdeckt zu werden, wählte Peridas den Weg durch den Irrgarten. Er lag gleich neben der Allee und war wie ein Kuchenstück geformt. Die Wände des Labyrinths bildeten Hecken, auf den Wegen dazwischen wuchs Gras. Wenn man sich auskenne, sagte der junge Gardist, dann stehe der Zugewinn an Sicherheit in keinem Verhältnis zu dem vernachlässigbaren Umweg. Taramis glaubte daran.
Bis plötzlich Asor vor ihm stand.
Aus durchaus nachvollziehbaren Erwägungen hatte sein Erzfeind diese Menschengestalt gewählt. Der ehemalige Leibwächter König Bahas war vermutlich das erste Opfer des Seelenfressers Bochim gewesen. Die grobschlächtige Statur, das vierschrötige Gesicht, die zottigen halblangen Haare, all dies war am Hof zu Peor seit Jahrzehnten ein vertrauter Anblick. Selbst an das Feuerfischschwert, mit dem er gerade den Heckenweg versperrte, hatte man sich wohl gewöhnt. Ob im Palast überhaupt jemandem aufgefallen war, dass diese Kopie Asors niemals alterte?
»Siehe da! Der Prinz von Dagonis gibt sich die Ehre«, spottete Taramis. Er schleuderte den Feuerstab herum. Ez glitt durch seine Hand, die ihn im letzten Augenblick noch bei der Spitze packte – die Fliehkraft zog die Umhüllung vom schwarzen Schaft. Schützend stellte er sich zwischen Bochim und den Lockenkopf. »Wenn du hierbleibst, stirbst du, Peridas. Eile voraus und schaffe mir freie Bahn. Ich muss zuvor nur noch kurz etwas erledigen, das ich schon viel zu lange vor mir herschiebe.«
Der falsche Asor lachte. »Wie stellst du es nur an, dass du ständig so schnell Freunde findest, Taramis?«
»Die Kinder des Lichts sind Freunde, wo immer sie einander begegnen, Bochim. Das ist der Unterschied zu den Söhnen der Finsternis, die ihre Verbündeten mit Trug und Bestechung gewinnen müssen. Wer seine Allianzen auf Niedertracht baut, hat eben keine Freunde. Nur Feinde, die eine Weile stillhalten.« Taramis bedeutete dem jungen Leibwächter energisch, endlich zu gehen.
Widerstrebend entfernte sich Peridas. Fast lautlos verschwand er in einem anderen Gang.
Taramis und Bochim belauerten sich: zwei Gegner, die einander kannten. Der Zeridianer hatte mit seinem Stab die größere Reichweite, der Seelenfresser war körperlich stärker und durch seine Wandlungsfähigkeit zudem flexibler. Er trug den Waffenrock der königlichen Leibgarde: einen in vielen Kämpfen geschundenen Brustharnisch mit
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