Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
entsprechenden Ausgleich zu sorgen, wenn ein Stück aus dem Kronschatz entfernt wird.«
»Und was habt Ihr Euch vorgestellt?«, stöhnte Taramis. Ihm schwante, dass etwas so Einmaliges wie Leviat nicht leicht zu ersetzen wäre.
»Bringt mir im Tausch den Reif der Erkenntnis. «
Taramis stockte der Atem. Den Reif? Das war doch nur ein mythischer Gegenstand, nichts Reales.
»Der Erkenntnisreif macht seinen Träger zum mächtigen Seher«, fügte Jarmuth mit wichtiger Miene hinzu; jemand, der einen Scherz machte, sah anders aus. »Ich möchte als der weiseste aller Könige in die Annalen von Berith eingehen. Der Reif wird mir den nötigen Weitblick verleihen, mein Volk unbeschadet durch die Stürme der Zeit zu führen. Ihr findet ihn im Sternenhaus von Olam, dem Zeitlosen.«
»Na, wenn’s weiter nichts ist«, knurrte Taramis.
Jarmuth strahlte. »Schön, dass Ihr es so gelassen aufnehmt.«
»Der Reif und Olam sind Legenden, Majestät.«
»Wer hat Euch denn das erzählt?«
»Was spielt das für eine Rolle? Ich dachte tatsächlich, Ihr würdet mir Leviat freiwillig überlassen. Stattdessen verlangt Ihr eine Gegenleistung, die ich unmöglich erbringen kann. Ich werte das als Ablehnung.«
»Wollt Ihr mir drohen? «, polterte Jarmuth heraus und sprang von seinem Thron auf, wodurch er allerdings nur unwesentlich größer wurde. Racost und Ullpox reckten die Köpfe hoch und knurrten vorsorglich.
Im Saal kehrte schlagartig Stille ein. Nur das Klappern einiger Waffen war zu hören. Alle Blicke wandten sich dem Gastgeber zu, der den Drachentöter mit geballten Fäusten anfunkelte.
»Wenn es nötig ist, ja«, knirschte Taramis.
Ischáh legte dem König die Hand auf den Arm, eine Geste, die sich sonst nur seine zweihundert Gemahlinnen erlauben durften. »Verzeiht meinem Freund den unbesonnenen Ton, Majestät. Die Sorge um Frau und Sohn bringt ihn fast um den Verstand. Könnt Ihr uns denn sagen, wo wir den Reif der Erkenntnis finden?«
Jarmuth entspannte sich. Er gab den Musikern einen Wink, worauf sie erneut ihre Instrumente malträtierten. Auch die Gäste widmeten sich wieder ihren unterschiedlichsten Vergnügungen und die Hunde stritten weiter um den Knochen. Nachdem sich der Zwergenkönig gesetzt hatte, erklärte er: »Das Haus der Sterne liegt außerhalb der Aura.«
»Das ist nicht sehr hilfreich«, brummte Taramis.
Achselzuckend erwiderte Jarmuth: »Ihr seid in dieser Geschichte der Held. Da kann man ja wohl erwarten, dass Ihr ein kleines Rätsel löst.«
» Kleines Rätsel?« Taramis schnaubte. »Ebenso gut könntet Ihr von mir verlangen, Euch den Reif aus dem Haus der Toten herbeizuschaffen. Belimáh ist grenzenlos, kalt und tödlich. Niemand hat die schützende Hülle Beriths je verlassen und ist lebend aus dem luftleeren Raum jenseits davon zurückgekehrt.«
»Das ist nicht ganz richtig. Es heißt, Olam sei mehrmals in unsere Welt gekommen, um ihr in schwerer Stunde beizustehen.«
»Das sind doch Ammenmärchen!«
»Wir Kirries glauben an sie.«
Taramis schüttelte den Kopf. »Das hat meine Mutter auch getan. Als kleiner Junge habe ich andächtig ihren Erzählungen vom Äonenschläfer und seinem Sternenhaus gelauscht und mich dorthin gewünscht. Aber heute sind wir erwachsene Männer, Majestät, Männer, die …«
»Für die Ganesen sind Olam und sein Haus jenseits unserer Welt nie ein Mythos gewesen«, sagte Ischáh.
»Fällst du mir jetzt auch noch in den Rücken?«, zischte Taramis. Ihm brannte die Zeit unter den Nägeln, da konnte er sich nicht mit solchem Kinderkram beschäftigen.
Jarmuth drückte sich an die Lehne seines Throns, als fürchtete er, zwischen den beiden zerrieben zu werden.
Sie senkte den Blick und antwortete so leise, dass es im Lärm des Festes kaum zu verstehen war. »Nein, Taramis. Hättest du dich in deiner Kindheit weniger mit Waffen als mit Büchern beschäftigt, wüsstest du, wovon ich spreche.«
Er stöhnte. »Bitte, Ischáh. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was du meinst. Wenn du etwas weißt, dann sag es einfach.«
Der Donnerreiter nickte bekräftigend.
»Ich spreche von der Jâr’enischen Tempelbibliothek«, sagte sie, ohne von ihren ineinander verschränkten Händen aufzusehen. »Dort gibt es ein steinernes Buch. Es heißt, die Tafeln seien so alt wie die Säule des Bundes, die vor Beth Gao steht. Darin wirst du den Weg zum Haus der Sterne beschrieben finden.«
Mit gläsernem Blick sah Taramis sie an und nagte auf seiner Unterlippe. Vielleicht ist es gar
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