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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Völkern Beriths so hoch geschätzten Kanten und rechten Winkel. In Karka glichen sie häufig eher großen Findlingen, die fleißige Steinmetze wie Kürbisse ausgehöhlt hatten. Als Dächer dienten normalerweise unregelmäßig geformte Steinplatten, was den Gebäuden den pilzartigen Charakter verlieh. Für den unvoreingenommenen Betrachter hatte die organische Formensprache der hiesigen Wohnkultur also durchaus etwas Frisches und Unverbrauchtes. Die Zwerge schienen neun Zehntel der Arbeit dem Baumeister Zufall zu überlassen und nur den Rest durch vorsichtige Eingriffe ihren Bedürfnissen anzupassen.
    Die Straßen und Gassen verstärkten diesen Eindruck noch. Ihr Verlauf erinnerte Taramis an das Wurzelwerk eines Baumriesen. Die Verästelungen aus großen und sehr schmalen Wegen waren für ihn vollkommen unüberschaubar.
    Eine nicht geringe Zahl von Unterkünften hatten die Kirries einfach in den Fels gehauen. An der Höhlenwand zur Rechten erstreckten sich bis in luftige Höhen Balkone, Wandelgänge, verwirrend geschwungene Ornamente und gleich Dutzende Reihen von Spitzbogenfenstern. In jedem brannte das Kalte Feuer eines Lichtsteines.
    »Das ist Kohimoor, der ›Palast der tausend Augen‹«, erklärte Jarmuth. Er hatte wohl den staunenden Blick des Drachentöters bemerkt. »Beeindruckend, nicht wahr?«
    »Ziemliche Platzverschwendung«, erwiderte Taramis misslaunig.
    Der König lachte. »Stimmt. Ich habe das Haus von meinen Vorfahren geerbt und von meinen Nachkommen geliehen. Damit ich mich nicht so einsam fühle, teile ich es mit meinen zweihundert Frauen und einer ständig wechselnden Zahl von Kindern. Etliche Verwandte kommen auch noch dazu. Für die gesamte Sippschaft einschließlich der Vettern und Basen dritten Grades war das Tausendaugenhaus leider zu eng.«
    Bald darauf endete der Triumphzug unter dem Spitzbogen eines ausladenden Tores. Auf der steinernen Einfassung des Portals reihten sich kleine Figuren.
    Jarmuth deutete zu dem Fries hinauf. »Das sind unsere Helden, Taramis Drachentöter. Viele von ihnen haben ihr Leben im Kampf gegen den Lurkon gelassen. Fällt Euch an dem stilisierten Schlussstein etwas auf?«
    »Er ist leer.«
    »So ist es. Der Platz wurde für den Erfüller der Prophezeiung freigehalten, von der ich Euch erzählte. Noch heute werde ich dem königlichen Steinmetz befehlen, Euer Konterfei dort zu verewigen.«
    Taramis rang sich ein Lächeln ab. »Hoffentlich muss ich nicht warten, bis er fertig ist.«
    Jarmuth grinste. »Ich lasse ein paar Skizzen anfertigen, während Ihr Euch an unseren Delikatessen labt.« Frühzeitig hatte er einen Boten in den Palast der tausend Augen geschickt, damit sich die Dienerschaft auf Bohans »Mordshunger« vorbereiten konnte.
    Beim Betreten des Palasts stieg Taramis ein verführerischer Duft von Gebratenem und Gesottenem in die Nase. Sein Magen knurrte. Der König entschuldigte sich, er wolle seiner Familie die guten Nachrichten persönlich überbringen und werde gleich danach wieder zu den Gästen stoßen. Mit wehendem Silbermantel stob er davon. Racost und Ullpox tippelten schnüffelnd hinterdrein.
    Taramis’ Hand verkrampfte sich um den Stab. Ist das eine Falle? Sollen uns die Leibwächter ins Verlies sperren? Er wusste nicht, was er von Jarmuths Wankelmut halten sollte. Mal drohte ihm der König, dann wieder behandelte er ihn wie einen geschätzten Ehrengast. Zumindest die Begeisterung des Volkes von Karka hatte echt gewirkt.
    Die Eskorte führte die Besucher über eine breite Wendeltreppe nach oben. Taramis versuchte sich an die Lage des Kerkers zu erinnern, aus dem er seinerzeit Shúria und ihren Vater befreit hatte. Wenn ihn nicht alles täuschte, befand er sich irgendwo unterhalb des Palasts.
    Zwei Stockwerke höher ging es durch ein neuerliches Spitzbogenportal in einen Saal von enormen Ausmaßen. Die annähernd nierenförmige Halle war erkennbar für größere Gelage ausgelegt. Am Kopfende liefen sechs lange Tischreihen wie die Zinken einer Forke auf eine quer stehende Tafel zu.
    »Lädt der König gelegentlich sein ganzes Volk zum Festschmaus ein?«, erkundigte sich Bohan beim Kommandanten der Eskorte, einem Mann mit zottigen, strohgelben Haaren, der ungefähr genauso breit wie hoch war.
    »Die Zeiten sind vorbei«, antwortete der Krieger mit einem wehmütigen Funkeln in den türkisfarbenen Augen.
    »Ist Euer Volk zu groß geworden?«
    »Es steht mir nicht an, darüber zu sprechen«, brummte er.
    »Wenn Ihr die Frage beantwortet, Simli,

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