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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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selben Gott und teilen das gleiche Schicksal. Weißt du etwas über meinen Vater?«
    Siaths hübsches Gesicht verdüsterte sich. »Gaal hat ihn getötet.«
    Shúria stieß einen spitzen Schrei aus, wankte und wäre wohl mitten unter die Gefangenen gefallen, hätten Ari und Siath sie nicht gemeinsam gestützt.
    »Was tuschelt ihr da?«, keifte die Frau mit der durchdringenden Stimme. »Wenn ihr wisst, was uns erwartet, dann sagt es freiheraus.«
    Die Ganesin wandte sich zu ihr. Ihre Miene schien zu versteinern. »Sie bringen uns zur Selektion.«
    »Na und? Was soll das bedeuten?«
    »Es heißt«, antwortete Siath tonlos, »dass sie entscheiden, wer von uns weiterleben muss und wer sterben darf.«
    In dem rumpelnden Wagen herrschte gedrückte Stille. Irgendjemand wimmerte. Furcht hatte sich wie ein klebriger Belag auf den Gesichtern der Gefangenen abgesetzt, ließ sie in Mienen des Schreckens erstarren. Die Angst schien überall zu sein und die Männer und Frauen bei jedem Atemzug zu durchdringen. Ein süßlicher Geruch lag in der Luft, der Shúria schaudern machte. In ihrem Albtraum hatte es genauso gerochen. Schützend legte sie die Hand um Aris Schulter und spähte durch das vergitterte Fenster in die Gasse hinaus.
    Dort sah sie dicht gedrängt Menschen stehen. Die meisten starrten in den Wagen. Etwas Mitleidloses, Raubtierhaftes lag in ihren Augen. Shúria sehnte sich nach einem tröstenden Nicken, einem winzigen Zeichen von Mitgefühl. Die Nachricht vom Tod ihres Vaters hatte sie erschüttert. Dass Gaal ihn ermordet haben sollte, musste auf einer Verwechslung beruhen. Sie hatte den dagonisischen König doch im Heiligen Hain sterben sehen.
    »Die Leute sind froh, dass es uns trifft und nicht sie«, bemerkte Siath neben ihr und deutete mit dem Kinn nach draußen. Die Ganesin war an ihrer Seite gleichsam versteinert, nachdem ihre Mitteilung im Wagen für Heulen und Zähneknirschen gesorgt hatte. Ein solcher Mangel an Mitgefühl war für jemanden vom sanften Gartenvolk höchst ungewöhnlich. Shúria ahnte, dass ihre Schicksalsgenossin Furchtbares erlebt haben musste. Wahrscheinlich kapselte sie sich gegen das Leid ab, um nicht daran zugrunde zu gehen.
    »Früher waren diese Leute Anbeter Gaos, ebenso wie wir. Wie ist es möglich, dass sie so schnell ihre Menschlichkeit verlieren konnten?«
    »Ganz einfach. Indem man ihnen eintrichtert, dass wir keine richtigen Menschen sind. Der Feuerkult macht da feine Unterschiede: Die Dagonisier sind die Gottgleichen, Komana immerhin noch die Fürstenrasse und der Rest der Welt ist nur Abschaum. Gerade gut genug, um als Feueropfer für den Großen Fisch zu dienen.«
    Da die volle Stimme der Ganesin jeden Winkel des Wagens erreichte, brach sofort neues Klagen und Jammern aus.
    »Wie lange war ich eigentlich bewusstlos?«, erkundigte sich Shúria.
    »Sehr lang«, sagte Ari.
    »Es ist die vierte Stunde nach Mittag, falls dir das hilft«, bemerkte Siath.
    Shúria nickte. Die Kopfschmerzen waren noch immer schwindelerregend. »Hast du eine Ahnung, wo sie uns hinbringen?«
    »Zum Vorplatz des Bluttempels.«
    »Blut-?« Ihr stockte der Atem.
    »Die Peorer nennen ihn so, weil er blutrot ist.«
    »Du meinst den Tempel, den Gaal der Stadt zur Verehrung von Dagon gestiftet hat?« Taramis hatte ihr von den Bauarbeiten erzählt.
    Siath nickte grimmig.
    »Woher weißt du das alles?«
    »Ich bin schon oft aus dem Hurenhaus ausgerückt. Leider haben sie mich immer wieder eingefangen. Manchmal wünschte ich, dieser Albtraum fände ein feuriges Ende.«
    »Haben die Dagonisier dich hierhergebracht?«
    »Ja. Gleich nach dem Überfall auf die Heilige Insel. Mit vielen anderen Überlebenden. Die meisten unserer Brüder und Schwestern waren Erwählte . Das heißt, sie haben sie dem Fischgötzen als Feueropfer dargebracht. Ein paar besonders starke oder ansehnliche ließen sie am Leben.«
    »Als Sklaven?«, erkundigte sich der Greis mit der Schramme auf der Stirn.
    »König Og und sein Oberpriester Eglon würden es wohl so nennen. Ich bin geflohen, weil ich diesen … Dienst nicht länger ertragen konnte.«
    »Was haben sie dir angetan?«, flüsterte Shúria.
    »Ich bin eine Hetäre des Dagontempels«, antwortete Siath freiheraus.
    »Was ist eine Hetäre, Mama?«, fragte Ari.
    »Das … äh …« Shúria räusperte sich. Sie hielt weder Zeitpunkt noch Umstände für angemessen, ihren Sohn über das Berufsbild einer Prostituierten aufzuklären. »Das ist eine Frau, die anderen Männern Gefälligkeiten

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