Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
gefunden! Das ist Ijjím Samúj. Pass auf, dass sie uns nicht wieder entwischt.«
15. Die siebte Insel
S o was habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.« Ungläubig schüttelte Keter den Kopf. Narimoth hatte den Ursprung des funkelnden Schweifes inzwischen fast erreicht.
»Es gibt ja auch nur eine Unsichtbare Insel«, erwiderte Taramis gereizt und deutete nach draußen. Es behagte ihm überhaupt nicht, mit acht Männern im vorderen Teil der Kiemenkapsel zusammengepfercht zu sein. Keiner wollte etwas verpassen. »Halt dich ein Stück weiter rechts, Ischáh. Da scheint die Wolke weniger dicht zu sein.«
»Nichts gegen eine Rast an einem gemütlich finsteren Plätzchen«, meldete sich Jagur unwirsch zu Wort, »aber warum müssen wir überhaupt auf Ijjím Samúj anlegen? Ich denke, du hast das Sternenhaus schon entdeckt.« Er stand ganz vorn in der Kapsel, gleich hinter dem Sitz des Steuermanns, wo sich jeder andere den Kopf gestoßen hätte.
»Weil ich erstens nur einen grünen Lichtfleck gesehen habe und er zweitens außerhalb der Aura lag. Kannst du mir verraten, wie ich durch den luftleeren Raum dorthin kommen soll?«
»Nein.«
»Dann halt den Mund.«
»Gleich erreichen wir die Wolke«, meldete Ischáh vom vorderen Sitz des Steuermanns.
»Lass Narimoth vorsichtig weiterschwallen. Ich habe da eine Vermutung.«
»Und welche?«
»Sag ich euch nachher, wenn wir’s genau wissen.«
»Geheimniskrämer!«, brummte Jagur.
Der Donnerkeil tauchte in das finstere Gewaber ein. Von einem Augenblick zum nächsten verschwand das Gefunkel der fernen Inseln und noch ferneren Sterne. Die Wolke verschluckte sogar das Sonnenlicht. In der Kapsel wurde es stockdunkel.
»Das gefällt mir nicht, Ischáh«, sagte Keter. »Narimoth könnte gegen einen Berg prallen.«
»Ich pass schon auf«, erwiderte sie angespannt.
»Soll ich vielleicht …?«
Sie blitzte ihn wütend an. »Ihr Männer seid doch einer wie der andere. Glaubt alle, eine Frau könne niemals einen Schwaller lenken.«
Der Steuermann wich ihrem tadelnden Blick aus. Er wirkte betroffener, als man es von einem harten Burschen wie ihm erwartet hätte.
»Es sind Lebewesen«, erklärte sie in deutlich milderem Ton.
Keter runzelte die Stirn. »Was?«
»Die Wolke. Eine besondere Art von Plankton, nehme ich an. Es wird aufhören, wenn wir die Lufthülle durchstoßen.«
»Da tut sich etwas«, sagte Bohan.
Shúria richtete ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn.
Auf einmal riss das dunkle Gewölk auf und alle erlebten eine Überraschung. Vor ihnen lag eine kleine, mit Wiesen und Wäldern bewachsene Insel, die in vollem Sonnenlicht lag.
Sämtliche Köpfe fuhren herum, weil niemand verstand, wie so viel Helligkeit durch das finstere Gewölk dringen konnte. Aber da waren gar keine Wolken. Nur ein leuchtend grüner Himmel.
»Da werd einer schlau draus«, wunderte sich Keter.
»Carma hätte das auch hinbekommen«, stellte Jagur unbeeindruckt fest. Er meinte den Quallenschwarm, der seine Heimatinsel umgab.
»Angeber«, murmelte Bohan.
»Das da unten am See muss die Bibliothek sein«, bemerkte Taramis.
»Ich hab’s gesehen«, antwortete Shúria. »Soll uns Narimoth am Ufer absetzen oder hast du besondere Wünsche?«
»Bring uns einfach am Fuß des Hügels runter, so dicht wie möglich bei dem Gebäude.«
Von oben sah man zunächst nur den Grundriss des Baus. Er bildete ein innen offenes Rechteck mit roten Tonziegeln auf dem Dach. Im Innenhof waren Grünpflanzen und ein viereckiges Wasserbecken zu erkennen. Erst als Narimoth tiefer sank, konnte man auch die kleinen Fenster zweier Stockwerke in den ockerfarbenen Außenmauern sehen.
Die Bibliothek thronte auf einem sanften Wiesenhügel über dem See und spiegelte sich in dem kristallklaren Wasser. Der Donnerkeil glitt darüber hinweg und ließ sich an der Seite des Ufers nieder, die dem Gebäude am nächsten lag.
Als Ischáh die Kiemenkapsel öffnete, stimmten ihre Männer ein Freudengeschrei an, als könnten sie es nicht fassen, die Luft einer unsichtbaren Insel zu atmen. Auf Ijjím Samúj war es angenehm warm.
Taramis kümmerte sich als Erstes um Allon. Er führte das Ippo an Land, befahl ihm, sich etwas Ordentliches zum Fressen zu suchen, und schickte es dann in Richtung Wald davon. Nachdem der schwarze Hengst mit angelegten Schwingen losgeprescht war, wandte er sich Ischáh zu. »Wähle bitte drei Männer aus, die beim Donnerkeil bleiben. Keter sollte dabei sein. Nur für den Fall, dass Narimoth
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