Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
Vierzigjährigen. Die Glatze hatte er schon vor zwölf Jahren gehabt.
Mit einem schwer zu deutenden Lächeln schritt er langsam auf Shúria zu. Seine sichelförmige Nase verlieh dem wie mit einer Axt geschlagenen Antlitz etwas Verwegenes, seiner Stimme dagegen etwas Gepresstes.
»Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie ich diesem Augenblick entgegengefiebert habe«, sagte er näselnd.
Immerhin sprach er sie nicht wie eine Magd an. Sie wischte sich mit der Linken über die Stirn und bewahrte Schweigen.
»Ihr dürft übrigens sprechen, Shúria.«
»Ich wüsste nicht, was ich Euch zu sagen hätte, Herr«, erwiderte sie mit einem Niederschlagen der Augen. Sie wollte diesen Mann weder reizen noch ermuntern.
»Unsere letzte Begegnung war ja weniger erfreulich. Nun haben wir endlich Gelegenheit, uns näher kennenzulernen. Ich muss gestehen, schon damals ein großer Bewunderer Eurer Schönheit gewesen zu sein.«
Shúria bekam eine Gänsehaut. Ich fand dich schon immer widerlich. »Ihr seid sehr freundlich, Herr.« Sie hüstelte.
»Ich wollte Euch wissen lassen, dass Ihr es bitte nicht als Rache auffassen möchtet.«
»Was?«
»Dass ich mich unbedingt mit der Frau des Mannes, der mich außerhalb von Komana zum Gespött gemacht hat, zeremoniell vereinigen will.«
Wer’s glaubt …! »Das ist schon lange her, Herr.«
Eglon trat dicht an sie heran. Er war etwa eine Handbreit kleiner als Taramis und eine größer als sie. Lächelnd streifte er ihr den linken Träger des Hemds über die Schulter. Nur die geschwellte Knospe ihrer Brustwarze hinderte es noch am Herabrutschen.
Übelkeit breitete sich in ihr aus, was nur zum Teil an den Kräutern lag, die sie genommen hatte. Der Kotzbrocken wollte sie vergewaltigen, um Taramis damit eins auszuwischen. Ihre Rechte spannte sich um das Obstmesser. Die Spitze war abgerundet. Sie würde fest zustoßen müssen …
Und was passiert dann mit Ari?
Nein, sie musste ihre Rolle weiterspielen, um den Jungen zu retten. Solange es irgendwie ging. Abermals legte sie die Linke vor den Mund und hüstelte, diesmal vernehmlicher als zuvor. Als sie den Arm wieder sinken lassen wollte, griff er nach ihrem Handgelenk, zog es zu sich heran und küsste es an der Innenseite, wo man den Puls fühlte.
»Ich spüre deine Angst«, sagte er lächelnd. »Und deinen Hass.«
»Habt Ihr etwas anderes erwartet?«, entfuhr es ihr.
»Nein – und die Kraft in deinen Gefühlen erregt mich. Ebenso der Gedanke, eine Zeridianerin zu lieben. Es heißt, der Mann erlebe dabei einen Rausch, der mit nichts zu vergleichen sei.« Seine Pranke – sie war erschreckend kalt – legte sich auf ihre rechte Schulter.
Shúria schnappte nach Luft. Wenn er ihr auch noch den zweiten Träger abstreifte, würde das Hochzeitskleid an ihr herabfallen und …
Die Linke des Oberpriesters strich über ihren Arm, wanderte darauf hinab, fasste fester zu … Ihr wurde siedend heiß bewusst, dass er ihre beiden Hände halten, womöglich sogar liebkosen wollte. Wohin mit dem Dolch?
Shúria hustete drei-, viermal. War der Kerl denn taub?
Eglon zog ihre Rechte hinter dem Rücken hervor und betrachtete sie versonnen. »Ihr seid bis in die Fingerspitzen schöner als jedes Kunstwerk, das ich je bewundert habe.«
Sie lächelte verkniffen. Lange würde sie das Messer nicht in der Gesäßfalte festhalten können. Warum merkte dieser gefühllose Klotz nicht, wie sie am ganzen Körper glühte? Selbst die Schweißtropfen auf ihrer Stirn schienen ihn nicht zu kümmern.
Endlich gab er ihr Handgelenk wieder frei. Anmutig ließ sie den Arm sinken, griff hinter sich und rettete das Obstmesser vor dem Absturz.
Seine grauen Augen funkelten lüstern, als sie die tiefe Schlucht zwischen ihren Brüsten erkundeten. Sein Leib dampfte vor Begehren, der Atem roch nach Wein. Lächelnd schob er den Zeigefinger unter das schmale Seidenband, an dem, so empfand sie es, ihre Unbeflecktheit hing. Shúrias Rechte spannte sich um den Messergriff.
In diesem Moment störte ein Knarren den Bräutigam. Die Tür zum Empfangszimmer schwang auf. Seine Miene verfinsterte sich und er fuhr wütend herum. Shúria streifte den herabgefallenen Träger rasch nach oben. Erst danach wagte sie einen Blick am breiten Rücken des Priesters vorbei.
Unter dem Türholm stand in seiner ganzen Leibesfülle und luftiger Bekleidung Og, der König von Komana.
Eglon verneigte sich und brachte ein erstauntes und nicht gerade herzliches »Majestät, was verschafft mir die Ehre Eures
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