Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
habe.«
»Wie ich sehe, hast du es in Ehren gehalten«, antwortete Olam sanft.
»Ihr seid der Äonenschläfer, habe ich recht?«
Der Herr des Sternenhauses nickte lächelnd.
»Woher kommt eigentlich dieser Name?«
»Meine Lebensfrist ist auf tausend Jahre begrenzt. Doch ich bin noch um ein Vielfaches älter. Wenn ich nicht wache, liege ich in einem todesähnlichen Schlaf, manchmal ganze Zeitalter lang. Daher der Name.«
»Das ist ein merkwürdiges Schicksal.«
»Es gab Tage, da hab ich es verflucht. Mit meiner Bestimmung erhielt ich auch den ernsten Rat, mich niemals mit einer Frau zu verbinden, da ich ihr und mir damit nur Leid zufügen würde. Trotzdem betrachte ich mein Los als Gnade des Herrn der Himmlischen Lichter, den du Gao nennst. Seine Boten rufen mich, sobald jemand meines Beistands bedarf. Ich durfte schon in mancher Notlage mit Rat und Tat helfen, in vielen Zeitaltern, auf zahlreichen Welten.«
»Dann stimmt es also, was man sagt – und Berith ist nicht die einzige Welt, die Melech-Arez hervorgebracht hat?«
»Das ist richtig. Der Widersacher hat sechs Mal versucht, die Schöpfung Gaos zu übertrumpfen. Und sechs Mal ist er gescheitert. Die Scherbenwelt war ursprünglich eine Kugel. Er nannte sie Barah , das alte Wort für ›erschaffen‹. Seine Geschöpfe entarteten bald und schließlich zerschlug er den missratenen Planeten im Zorn …«
»Der große Weltenbruch.«
»So wird das Ereignis von euch genannt.«
»Ich kenne die Geschichte aber anders. Es war Gao, der Berith aus lauter Wut über den Frevel seines Sohnes zerschmettert hat.«
»Das ist eine Lüge, die Melech-Arez in Umlauf gebracht hat, um seinen Vater zu verunglimpfen. Gao hatte sogar Mitleid mit dessen Kreaturen, als sie auf den Trümmern der zerbrochenen Welt zu sterben begannen. Er heilte die Lebewesen, umfing die Bruchstücke mit der schützenden Aura und gab dem Ganzen einen neuen Namen.«
»Berith.«
Olam nickte. »Was so viel wie ›Bund‹ bedeutet.«
»Und die übrigen Welten?«
»Sind von der Hybris des Melech-Arez ganz ähnlich geplagt gewesen. Es gibt da noch Neschan, Sachor, Arúm, Tehom und Mirad. Aber das sind andere Geschichten, die ein anderes Mal erzählt werden sollen. Ich denke, wir zwei haben nach all den Jahren Wichtigeres zu besprechen.«
Versonnen betrachtete Taramis den Feuerstab, der nun wieder in seiner Hand lag. »Was wisst Ihr über Ez?«
»Er ist ein Stück vom Lebensbaum. Ich habe es lange bewahrt, ehe ich es dir in die Wiege legte.«
Taramis fiel die Kinnlade herab. » Ihr seid das gewesen? Mutter sagte, mein Vater habe mir den Stab vermacht.«
»Das ist auch richtig. Denn … ich bin dein Vater, Taramis.«
Der Feuerstab klapperte zu Boden, weil diese überraschende Eröffnung wie ein Erdrutsch über Taramis hinwegrollte. Deshalb war ihm das Gesicht des Äonenschläfers so bekannt vorgekommen. Es glich seinem eigenen ! »Du bist …?« Er schüttelte den Kopf, nicht aus Unglauben, sondern aus Fassungslosigkeit.
Olam nickte. »Ja. Ist dir unsere Ähnlichkeit nicht aufgefallen?« Er strich mit seinen Händen an dem Wams herab. »Und den gleichen Farbgeschmack haben wir offenbar auch.«
»Das ist …« Taramis blinzelte. »Das ist nichts als Zufall.«
»Bist du sicher? Vielleicht ist es eine Fügung Gaos, um dich auf unser Zusammentreffen vorzubereiten.«
Fügung? Seine Jägerkluft aus grünem Wildleder spiegelte den Geschmack von Ischáhs Mann wider. Andererseits, spielte so etwas bei himmlischen Vorsehungen überhaupt eine Rolle? Taramis war zu perplex – und zu zornig –, um vernünftig zu argumentieren.
Der Äonenschläfer lächelte. »Ich kann mir vorstellen, was gerade in dir vorgeht. Ehe du mich verurteilst, lass mich dir bitte unsere Geschichte erzählen, die Geschichte von dir, deiner Mutter und mir.«
Vor sehr langer Zeit, begann der Uralte daraufhin, habe er in der Abgeschiedenheit von Luxania den geheimen Orden der Nebelwächter gegründet, um über die Kinder des Lichts zu wachen, während er schlief oder anderweitig beschäftigt war. Kurz vor Taramis’ Geburt trat dann eine bedrohliche Situation ein, die sein persönliches Einschreiten nötig machte. So kam er wieder einmal nach Jâr’en, um dem Hohepriester eine Nachricht des Herrn der Himmlischen Lichter zu überbringen. Auf der Heiligen Insel lernte er Lasia kennen.
Mit ihrer Fröhlichkeit, Klugheit, ihrem Witz und nicht zuletzt durch ihr bezauberndes Wesen hatte sie sein Herz im Sturm erobert. Er
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