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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Fehlverhaltens. Dafür bewunderte ihn Taramis sogar. Er akzeptierte die Entschuldigung seines Vaters und sah, dass er bereute, was er seinem Sohn und dessen Mutter angetan hatte.
    »Ich kenne diesen Mann«, murmelte Olam, trank einen Schluck Wasser und blickte versonnen zur schillernden Vogelwand hinüber, die sich gerade neu formierte. Verstohlen schnappte sich sein Gast einen Streifen von dem gesottenen Gemüse, das einfach vorzüglich schmeckte. Das Wunder der gedeckten Tafel hatte der Äonenschläfer als eine Gabe Gaos bezeichnet. Taramis war nicht ganz klar, ob sein Vater damit dieselbe Kategorie von Segnungen meinte, in die auch die Gaukeleien seines Sohnes fielen.
    »Könnte Eglon etwas mit den zerbrechenden Schollen zu tun haben?«
    »Möglich wäre es. Er vermag menschliche Empfindungen zu bündeln und nach seinem Willen zu lenken. Gefühle beeinflussen Gedanken – und in deiner Welt ist der Geist die stärkste aller Kräfte.«
    »So was Ähnliches hat Liver auch gesagt. Denkst du, die Menschenopfer sind die Quelle, aus der er seine Macht schöpft?«
    »Sie dürften jedenfalls mehr als nur der Ausdruck eines religiösen Wahns sein. Ich bin überzeugt, sie dienen einem überaus perfiden Zweck.«
    »Was wäre niederträchtiger, als das Gleichgewicht von ganz Berith zu gefährden?«
    »Ich weiß es nicht, Taramis. Möglicherweise ist das nur ein Risiko, das Og und sein oberster Priester in Kauf nehmen, um etwas noch viel Böseres zu erreichen.«
    »Die Inschrift unter der Säule des Bundes enthält eine Zeile, die irgendwie nicht dazu passt.«
    »Du meinst die Worte ›Dagonis gibt dir Gleichgewicht‹?«
    »Dann kennst du also das alte Epigraph.«
    »Ich selbst habe es auf Jâr’en angefertigt.«
    »Du …?« Taramis griff nach dem lange verschmähten Weinkelch.
    »Ich war damals noch jung«, erklärte Olam, als handele es sich um eine Jugendsünde.
    Nach einem tiefen Schluck hatte sich Taramis wieder in der Gewalt. »Alles deutet darauf hin, dass Gaal hinter den Umtrieben von Komana steckt. Wie kann Dagonis dann die Welt in der Balance halten? Mir scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein.«
    »Vielleicht, weil die Schlafende Insel der einzige ruhende Punkt in der Scherbenwelt ist. Oder weil sich dort das Schicksal von Berith entscheiden wird. Leider sind mir diesbezüglich keine weiteren Einzelheiten offenbart worden. Ich habe das Gefühl, meine Aufgabe in dieser Geschichte ist bereits erfüllt.«
    Taramis schüttelte den Kopf. »Nein. Eines musst du noch für mich tun …«
    »Ich muss? «, wiederholte Olam belustigt.
    »Du darfst. Das Leben von Shúria und Ari hängt davon ab. Gib mir bitte den Reif der Erkenntnis.«
    »Ah!« Der Äonenschläfer lächelte. »Deshalb bist du also gekommen.«
    »Der Erkenntnisreif ist der Preis, den Jarmuth für das Drachenhemd von mir verlangt.«
    »Ich verstehe. Und ich muss sagen, dass mir dieser Umstand missfällt. Sehr sogar. Somit führen dich rein persönliche Erwägungen zu mir.«
    »Ich lasse meine Familie jedenfalls nicht im Stich«, knurrte Taramis. Irgendwie empfand er die Worte seines Vaters wie eine Moralpredigt, zu der ausgerechnet er nicht das Recht hatte.
    Olams Blick schien in die Ferne zu schweifen, weit jenseits der schillernden Vogelwand. Er ließ sich nicht anmerken, ob der kaum verhohlene Vorwurf seines Sohnes ihn verletzt hatte. Vielleicht schmollte er auch nur. Oder drehten sich seine Gedanken um den Erkenntnisreif? Wog er das Für und Wider einer schwer wiegenden Entscheidung ab? Taramis wollte gerade die Geduld verlieren, als sein Vater fragte: »Sagtest du nicht, der König der Kirries habe einen Gegenstand von dir erbeten, der ihn zu einem weiseren Herrscher mache?«
    »Genau so ist es.«
    »Du kennst die Kraft, die der Reif der Erkenntnis tatsächlich verleiht?«
    »Ich weiß nur, was mir meine Mutter und andere darüber erzählt haben.«
    »Wahrscheinlich lauter Wundersames über ein juwelengeschmücktes, goldenes Diadem.«
    Verlegen zuckte Taramis mit den Schultern.
    Olam lächelte, legte die Handflächen auf den Tisch und erhob sich. »Ich glaube, ich muss dir etwas zeigen. Komm bitte mit.«
    Der Äonenschläfer führte seinen Sohn in die Rundhalle zurück und von dort in eine weitere Kammer. Sie war genauso groß wie das Speisezimmer, obwohl in ihrer Mitte nur eine viereckige Säule stand, die Taramis ungefähr bis zum Bauchnabel reichte. Im indirekten Licht, das die schillernden Körper der Vögel in den Raum lenkten, schimmerte ein

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