Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Komanaer, Kirries, Freiwillige, die sich in früheren Kriegen bewährt haben. Adriël kann gleich damit beginnen, unsere Verbündeten herbeizurufen und danach Zur bei seiner schweren Aufgabe unterstützen. Er muss die Insel auf das Schlimmste vorbereiten, bis wir dort eintreffen.« So abgeklärt Taramis über diese Dinge sprach, so aufgewühlt war er innerlich. Ob er jemals seine Familie wiedersehen würde? Wäre er doch nur ein Geistbote wie Lauris, dann könnte er Shúria wenigstens eine Nachricht schicken. Wo sie ihn wohl gerade suchte? Zuletzt hatte er nicht einmal ihren Sternensplitter zu sehen vermocht – vermutlich wegen der alles Licht verschlingenden Finsternis in der Zentralregion. Seine Sehnsucht war so groß, dass er die Augen schloss, mit der Kraft der Verzweiflung seine Fühler nach ihr ausstreckte – und erschrak.
»Was ist mit dir?«, hörte er Siaths Stimme.
Er reagierte nicht, war ganz auf seine innere Wahrnehmung fixiert.
»Wieso?«, brummte Jagur.
»Taramis ist auf einmal kreidebleich geworden«, sagte die Ganesin. Sie bahnte sich einen Weg zu ihm und nahm seine Hand. »Geht es dir nicht gut?«
»Ich sehe Shúrias Sternensplitter«, antwortete er wie in Trance.
»Aber das ist doch wunderbar. Kannst du auch erkennen, wo sie sich befindet?«
»Ja«, hauchte er. »Sie ist nur wenige Meilen von hier entfernt. Irgendwo bei den Drachenleuten.«
27. Die Insel der gebrochenen Flügel
I hre Füße und Hände fühlten sich taub an, weil die Fesseln ihr das Blut abschnürten. Shúria lag mit der Wange auf dem Boden. Er war kühl und glatt. Nur mit Ohren, Nase und Tastsinn erkundete sie ihre Umgebung. Die Augen behielt sie geschlossen, um ihre Peiniger nicht zu neuen Drangsalierungen zu ermuntern.
Der leicht fischige Geruch deutete auf einen Schwaller hin, die ruckhafte Fortbewegungsweise auf einen Kopffüßer. Vielleicht ein Perlboot? Sie konnte sich noch lebhaft an ihre Reise auf Mobula erinnern, dem Berg der Engel, dessen alter Name Har-Abbirím lautete. Erst Jahre später war ihr klar geworden, dass damals ihr Herz für Taramis zu schlagen begonnen hatte.
»Seid Ihr wach?«
Sie erschrak. Die männliche, durchaus angenehme Stimme kam ihr bekannt vor. Es hatte wohl keinen Sinn, sich weiter besinnungslos zu stellen.
Shúria öffnete die Augen und fand sich in einer annähernd dreieckigen Kammer wieder, die offenbar ganz aus Perlmutt bestand. Neben ihr kniete der junge Leibwächter des Khans. Seine Hand lag auf dem Griff des Runddolches, den er im Gürtel trug. Wie war noch gleich sein Name? Timur?
»Es tut mir leid, dass Kubilay Euch niedergeschlagen hat«, sagte er.
Sie drehte sich auf den Rücken, was wegen der Fesseln nicht ganz einfach war. »Wenn Ihr tatsächlich so mitfühlend seid, wie Ihr mir weiszumachen versucht, warum bindet Ihr mich dann nicht los?«
»Das wäre unser beider sicherer Tod.«
»Bin ich in einem Perlboot?«
Er nickte. Seine Augen musterten sie aufmerksam, jedoch ohne jede Lüsternheit. »Seid Ihr wirklich Shúria, und ist der große Taramis Euer Mann?«
»Fragt mich das Timur, der Tröster geprügelter Frauen, oder Timur, der Zuträger von Khan Bahadur?«
»Ich kann Euren beißenden Spott verstehen. Allerdings solltet Ihr auch meinem Vater ein wenig Verständnis entgegenbringen. Taramis hat seinen Lieblingssohn getötet.«
Sie schnappte nach Luft. »Ihr seid der Bruder von …?«
»Sakim?« Timur verzog den Mund, was in seinem tätowierten Gesicht nicht auf Anhieb als Lächeln zu erkennen war. »Das bedeutet nichts. Der Großkhan von Kesalonien hat ungefähr dreihundert Söhne. Wie viele Töchter es sind, weiß niemand so genau.«
»Man zählt nichts, was nichts zählt.«
»Offenbar genießen die Weiber von Zeridia mehr Beachtung.«
»Davon könnt Ihr ausgehen. Es fängt damit an, dass unsere Männer uns Frauen nennen.«
Sie versuchte sich aufzurichten. Timur legte ihr die Hand in den Rücken, um sie zu stützen. Sobald sie sich hingesetzt hatte, ließ er sie wieder los.
»Danke«, sagte sie kühl. Dieser Drachenmann war schwer einzuschätzen. Meinte er es wirklich ehrlich mit ihr? Oder war er nur ein Spitzel seines Vaters? Vielleicht zeigte er sein wahres Gesicht, wenn sie ihm ein paar Fragen stellte.
»Wo ist mein Sohn, Timur?«
»Da, wo Ihr ihn heute früh gesehen habt. Eine meiner Schwestern kümmert sich seit anderthalb Wochen um sein leibliches Wohl.«
»Warum durfte Ari nicht bei mir bleiben?«
»Der Khan hat andere Pläne mit ihm.«
»Was
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