Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Trennwand bereits gespannt, die einen Teil der Luft zurückhielt, solange der geflügelte Hengst und seine Reiter unter die Kuppel schlüpften. Kaum war diese geschlossen, trieb Ischáh ihren Donnerkeil zu höchster Eile an. Nur so konnte sich die Kristallkammer rasch mit unverseuchter Atemluft füllen und die Reisenden ausreichend Abstand zum Gedogh gewinnen.
Die Trennwand aus Schwallblasenhaut wurde zerfetzt, als Ischáh hindurchbrach. Sie riss sich ihr Atemschutztuch vom Gesicht und stürzte mit Tränen in den Augen auf Taramis zu, der Ari gerade vom Ippo half.
»Siath?«, war alles, was sie mit bebenden Lippen hervorbrachte.
Er schüttelte den Kopf.
Sie fing an zu schluchzen. »Ich wusste es.«
Keter erschien an ihrer Seite und legte seinen Arm um sie.
Ari gesellte sich zu den beiden und schloss sich der Umarmung an.
Auch Shúria brach in Tränen aus und fiel Taramis um den Hals.
Almin und Reibun sahen sich bekümmert an.
Jagur stand da wie ein begossener Pudel. Situationen, die er nicht mit seiner Axt bereinigen konnte, bereiteten ihm stets Unbehagen.
»Siath ist uns zu Hilfe gekommen. Sie hat Gaal in den Krater gestoßen«, tröstete Ari die weinende Ischáh.
»Ich hätte sie zurückhalten müssen«, klagte sie. »Die Wunden, die ihr das Scheusal zugefügt hat, sind nie geheilt.«
»Dich trifft keine Schuld. Es war allein ihre Entscheidung«, sagte Taramis und streichelte Shúria den Rücken. Zu mehr fühlte er sich nicht fähig. Siath hatte so viel für seine Familie getan. Während Shúrias Schwangerschaft war sie ihr die beste Freundin gewesen, die man sich nur wünschen konnte.
Für eine Weile war es still, und niemand schenkte dem Geschehen draußen Beachtung. Unterdessen stieg Narimoth immer höher, und im Gedogh brodelte etwas, das mit keiner Kraft der Welt zu erklären war. Der heilige Berg der Dagonisier begann zu beben. Irgendwann brach Jagurs brummige Stimme das bedrückte Schweigen.
»Da unten tut sich was. Ich glaube, der Vulkan bricht aus.«
Die Gefährten blickten in die Tiefe.
»Nein«, widersprach Taramis. »Er bricht nicht aus. Er bricht ein.«
Tatsächlich stürzten die Ränder des Kraters in den finsteren Schlund hinein. Zunächst riss das Beben nur einige Felsen los. Bald rutschten immer größere Teile in den lichtlosen Abgrund, der sich dadurch jedoch weder füllte noch einebnete, sondern unverändert schwarz und unergründlich blieb.
»Herr der Himmlischen Lichter!«, flüsterte Taramis.
»Der Berg versinkt vollständig in dem Loch«, stellte Jagur fest.
»Mehr als das. Es ist ganz Dagonis, das in den Tartaros hinabgezogen wird.« Taramis wandte sich Keter zu. »Wie schnell kann Narimoth schwallen?«
»Ich kümmere mich darum«, schniefte Ischáh.
Der Donnerkeil reagierte ohne Zögern auf den Gedankenbefehl seiner Gefährtin. Mit mächtigen Flossenschlägen holte er das Letzte aus seinem kraftvollen Leib heraus, wirbelte den Äther auf und schoss förmlich von der sterbenden Insel fort.
Taramis verfolgte ihren Untergang mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube. Inzwischen klaffte in Dagonis ein riesiger, dunkler Schlund, der um ein Mehrfaches über die ursprüngliche Basis des Berges hinausging. Und er wurde immer größer. Waren sie bereits weit genug weg, um dem unheimlichen Sog zu entkommen? Und wie sollte das enden? Würden als Nächstes die umliegenden Inseln in das schwarze Loch hineingesaugt werden? Und zuletzt die ganze Welt?
Dagonis gibt dir Gleichgewicht.
Wie schon so oft drängten sich die Worte der alten Weissagung in Taramis’ Sinn. Gleichgewicht. Das stand doch für Festigkeit, nicht für Zerstörung. Sie mussten etwas anderes bedeuten. Auf keiner Insel im weiten Meer hatte es so viel Böses gegeben wie hier. Von diesem Ort war die Saat der Finsternis ausgegangen. Die dagonisische Plage hatte die Scherbenwelt krank gemacht. Wenn diese Brutstätte des Übels nun verging, was blieb dann übrig? War es eine Welt, die wieder ins Lot kam?
Der finstere Schlund hatte mittlerweile die Hälfte der Schlafenden Insel verschluckt. Ironischerweise glich sie dadurch für einen Moment sehr den abgeflachten Schollen im weiten Weltenozean, beinahe so, als wolle sie sich ihnen reumütig gleichmachen. Doch dieser Eindruck war flüchtig. Überraschend schnell fiel Dagonis vollends in sich zusammen. Es sah aus, als verschlucke es sich selbst, und es geschah völlig geräuschlos.
Erst als die Donnerreiter nichts mehr von ihr sahen, erfasste Narimoth eine gewaltige
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