Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
bringe deinen um. Ist das nicht gerecht?«
»Du verdrehst die Wahrheit. Ich habe Bochim im Zweikampf besiegt – als Krieger müsstest du das verstehen. Wenn du Ari fallen lässt, ist das Mord.«
»O nein! Auf so profane Art würde ich mich niemals an meinem Erzfeind rächen. Es ist ein Opfer . In den Adern dieses Knaben fließt das Blut Olams, der alle Zeitalter der Menschen überlebt hat. Jetzt wird er Dagon wiedererwecken.«
»Bist du sicher?« Taramis hielt mit seinen Augen den Blick des Königs fest. Aris Arme und Beine zuckten kaum noch.
Gaals Fischgesicht erstarrte. »Falls du mir etwas sagen willst, solltest du dich beeilen. Die Kaulquappe macht es nicht mehr lang.«
»Mein Vater erzählte mir, dass selbst er nicht ewig leben könne. Der Schlaf rettete ihn über die Zeiten hinweg. Mein Blut ist mit dem einer normalen Sterblichen vermischt. Und in den Adern von Ari pulsiert höchstens noch ein Viertel der ursprünglichen Kraft. Warum also willst du dich mit der zweiten Wahl begnügen, wenn du auch die erste nehmen kannst?«
»Du opferst dich für deinen Sohn?«
»Schenkst du Ari die Freiheit, springe ich in den Vulkan.«
Der König grinste. »Wir machen es umgekehrt: Du springst zuerst, dann lasse ich den kleinen Lurch laufen.«
Taramis zögerte.
»Ich glaube, er stirbt gerade«, sagte Gaal.
»Schwöre es!«
»Für dein großzügiges Angebot leiste ich gerne diesen Schwur: Bei meinem Herrn Dagon, ich schenke Ari das Leben, wenn du dich in den Tartaros wirfst. Aber komm mir nicht zu nahe!«
»So soll es sein.« Taramis lief zum Kraterrand und sprang mit ausgebreiteten Armen in den Abgrund. Wie ein Stein fiel er in die unergründliche Tiefe, und Finsternis schlug ihm entgegen wie eine schwarze Flammenzunge.
Gaal ließ den Jungen zu Boden fallen und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Taramis, der gerade seinen Blicken entschwand. Das hätte er nicht erwartet. Olams Sohn war ein großer Feind gewesen. Der König der Lurche. Und nun war er besiegt. Endlich.
Der oberste Priester Dagons warf den Kopf in den Nacken. In seiner Euphorie merkte er nicht, wie ihm dabei der Reif der Erkenntnis entglitt und zu Boden fiel. Übermütig reckte er seinen Dreizack in den Himmel und stieß einen triumphierenden Schrei aus, der weit über den Gedogh hinaus zu hören war.
Als er sich wieder dem finsteren Schlund zuwandte, ehrfürchtig und in demütiger Erwartung des Großen Erwachens, sah er ein Licht in der Finsternis. Was war das? Erhob sich da der Herr der unendlichen Tiefen aus dem Schlaf?
Wie ein Blitz schoss ihm ein Feuerspeer entgegen. Gaal stolperte zurück. Die Hitze versengte seine Barteln. Eine Ahnung sagte ihm, dass dies noch nicht Dagon sein konnte. Fahrig fuhr er sich übers verbrannte Gesicht und fand sein Haupt unbekrönt.
Er bückte sich, um den hölzernen Ring aufzuheben und sich auch gleich den Knaben als Faustpfand zu schnappen, sah aber keinen von beiden. Der Platz, wo er den Jungen hatte fallen lassen, war leer. Zornig brüllte er auf. Ari war weg. Wahrscheinlich hatte die Kaulquappe gar nicht das Bewusstsein verloren, sondern nur auf eine Gelegenheit zur Flucht gewartet.
»Suchst du mich?«, fragte plötzlich jemand hinter ihm.
Der König fuhr herum und stieß mit seinem Dreizack zu.
Taramis parierte den Angriff mit seinem Feuerstab und entfernte sich vom Kraterrand.
»Du verfluchter Bastard. Wie hast du das gemacht?« Gaal kochte vor Wut.
Sein Gegenüber lächelte. »Ein Kunststück, das mir Meister Marnas beigebracht hat. Mit der Hilfe eines alten Drachen konnte ich es um einige Lichteffekte ergänzen.« Wie ein Wirbelwind stürzte er sich mit seinem Feuerstab auf den König.
Selbst mit einem Auge war Gaal noch ein vollwertiger Gegner, und das wusste er auch. Geschickter als eine Fliege entwischte er den Attacken des Zeridianers, und schneller als die Fangarme einer Gottesanbeterin stieß er mit seinem Dreizack zu. Beim vierten oder fünften Versuch traf er Taramis an der Schulter, ohne ihn allerdings zu verletzen. Was war das? Das Hemd der Unverwundbarkeit , erinnerte sich der König. Reghosch hatte ihm davon erzählt. Selbst für dagonisischen Stahl gab es bei diesem Drachenhemd kein Durchkommen.
Es blieb bei dem einen Glückstreffer. Der Stabschwinger wehrte alles ab, sogar den giftigen Stacheln, die Gaal aus seinem Kragen auf ihn abschoss, wich er scheinbar mühelos aus. Schlimmer noch, der Lurch drängte ihn immer dichter an den Kraterrand heran. Keuchend ging der König
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