Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
habe mit eigenen Augen gesehen, wie unser Freund Veridas regelrecht gefällt wurde. Und er war nur einer von vielen ähnlichen Todesfällen. Das muss sofort aufhören.«
Zur seufzte. »Mehr Mamoghs und Reiter. Ich kümmere mich drum. Was noch?«
Taramis sah Siath an. »Es war dein Vorschlag. Erkläre du es ihm.«
Sie deutete vage zum Fenster. »Das Gartenvolk vermag mit den Tieren zu sprechen. Nicht so, wie wir vier hier miteinander reden, doch wir Ganesen sind sehr überzeugend, wenn wir sie um etwas bitten.«
»Das ist mir bekannt. Ich habe gehört, dass deine Schwester in Peor die Tiere gegen König Og aufgewiegelt hat. An was genau denkst du?«
»Die Vögel und Waldtiere sollen deine Späher unterstützen. Falls irgendetwas Ungewöhnliches im Garten geschieht, wird ihnen das schneller als jedem anderen auffallen. Dann können sie uns davon berichten.«
»Du meinst einem unserer Gärtner.«
Sie nickte. »Und der gibt es an die Tempelwache weiter, die ihrerseits Taramis Meldung macht.«
»Guter Vorschlag. Ich werde gleich mit Kaldon und Suriman sprechen, denen die Pflege der Seelenbäume untersteht.«
»Ich hätte da noch eine Bitte in eigener Sache«, fügte Siath ungewohnt scheu hinzu.
Zurs Nasenspitze zuckte erwartungsvoll. »Mach es nicht so spannend, Schwester.«
»Suriman und Nerula sind meine Eltern. Ich würde sie gerne wiedersehen.«
»Möglichst verschwiegen«, merkte Taramis an.
»Endlich mal eine angenehme Überraschung«, freute sich Zur für die Ganesin. »Bleib doch am besten gleich hier, und ich leiste dir Gesellschaft, bis dein Vater kommt. Er wird Augen machen. Heute Nacht kannst du dann ihn und Nerula in ihrem Haus besuchen.«
Siath sprang von ihrem Stuhl auf und drückte dem Hüter von Jâr’en – sehr zum Erstaunen von Usa – einen Kuss auf die Wange. »Du bist ein Goldstück, Zur. Danke! «
Der lief rot an und grinste schief. »Endlich mal jemand, der meine inneren Werte erkennt.«
Usa beugte sich zu Taramis hinüber und flüsterte: »Macht sie das öfters?«
Er zuckte die Achseln. »Nicht so oft, wie du es dir vielleicht wünschst, junger Krieger.«
Der Hauptmann seufzte. »Da sieht man mal, wie unwiderstehlich Kommandanten sind.«
»Gönnen wir ihnen diesen Augenblick des Glücks. Ich fürchte, in den kommenden Tagen werden wir wenig zu lachen haben.«
9. Die Jagd
D ie Bestimmung der Tageszeiten gestaltete sich in der Scherbenwelt bisweilen recht schwierig. Je nach Standort unterlag der Wechsel von Tag und Nacht mannigfaltigen Einflüssen. Auf manchen Inseln waren sie nur schwer berechenbar, etwa wenn andere Schollen ihre Schatten auf einen Nachbarn warfen. Als verlässlicher erwiesen sich da schon die Eigenrotation einer Insel und die Drehung der ganzen Welt. Weil der Äther nicht gänzlich durchsichtig war, trübte sich der Himmel auf der sonnenabgewandten Seite entsprechend stark ein. Je mehr Ozean zwischen einer Scholle und der Lichtseite der Aura lag, desto dunkler war es. In der Zentralregion hatte man nie eine richtig klare Fernsicht. Es sei denn, man beobachtete so wie Taramis eine nahegelegene Inselgruppe.
Seine scharfen Augen waren auf Zeridia gerichtet, die Heimat seiner Vorfahren. Er, Jagur, Siath und Usa hatten sich in dem geheimen Höhlenausgang unterhalb des Seelenbaumes ein Lager eingerichtet. Seine Gefährten schliefen. Er hatte nach dem jungen Tempelwächter die dritte Nachtwache übernommen. In den Stunden vor der Dämmerung, wenn kein Sonnenlicht die Luftsphäre erstrahlen ließ, konnte man das finstere Gewaber im Zentrum von Berith noch am besten erkennen.
Streng genommen sah man es nur indirekt, weil es alle anderen Lichtquellen am Himmel zum Erlöschen brachte. Es war irgendwie unheimlich, wie die Wolke nach dem Archipel griff. Man hätte tatsächlich meinen können, ein gigantisches Lebewesen verberge sich in einem wogenden, dunklen Schleier und strecke seine Hand nach den Inseln aus. Taramis erschauderte, als er an seine Stammesbrüder und -schwestern dachte, die das Schauspiel aus nächster Nähe beobachten mussten. Was würde mit ihnen geschehen, wenn das Dunkel sie umhüllte?
Er hörte ein Rascheln aus den Stelzwurzeln hinter sich. Taramis machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen, sondern wartete, bis er Siaths leise Stimme vernahm.
»Bin ich wirklich so leicht zu erkennen?«
»Du duftest nach Farn und den Kräutern des Waldes. Außerdem habe ich gerade Tosus Schrei gehört. Ich nehme an, du hast ihn gerufen?« Endlich sah
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