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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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und Shúria keine verkappte Seelenfresserin war. Er fühlte sich dieser Frau, die ihm schon als Dreikäsehoch die Ohren lang gezogen hatte, sehr verbunden. In der wohl dunkelsten Stunde seines Lebens hatte sie sich seiner sterbenden Mutter angenommen und sich später um ihr Begräbnis gekümmert. Inzwischen, erzählte Naría, hüte sie die beiden Söhne Adriëls, des neuen Hohepriesters.
    »Könntet Ihr den Chohén in Kenntnis setzen, dass ich ihn sprechen muss, ohne dass gleich seine ganze Hausgemeinschaft von uns erfährt?«, fragte Taramis.
    »Der Herr Adriël ist gar nicht hier«, antwortete sie mit untröstlicher Miene. »Vor ein paar Tagen ist er mit Pyron nach Ramoth gereist.«
    »In die Zentralregion?« Unweigerlich musste Taramis an die dunkle Wolke denken, von der Veridas berichtet hatte. Barscher als beabsichtigt wandte er sich dem jungen Hauptmann zu. »Warum hast du nichts von der Reise erwähnt, Usa?«
    »Weil Ihr immer nur vom Hüter von Jâr’en gesprochen habt, Herr.«
    Er nickte. »Schon gut. Wann kommt der Chohén zurück?«
    »Das weiß ich nicht, Herr Taramis.«
    »Kann man ihn über einen Geistboten erreichen?«
    »Ja, der Hüter wird Euch helfen.«
    »Dann vergeuden wir keine Zeit.« Taramis entschuldigte sich bei Naría und drängte Usa zur Eile.
    Das zweigeschossige Haus duckte sich in die Schatten des wuchtigen Tempelbaus. Mit seinem Flachdach und der weißen Fassade entsprach es der auf Jâr’en üblichen Bauweise. Nur der vorgelagerte Innenhof mit dem Springbrunnen und den blühenden Pflanzen verriet, dass hinter seinen Mauern ein bedeutender Mann residierte. Bis vor etwa elf Jahren war es das Zuhause von Taramis und Shúria gewesen.
    Das Gebäude war nicht nur ein Wohnquartier, sondern verfügte im Untergeschoss auch über mehrere Zimmer, in denen der Hüter von Jâr’en seinen Amtsgeschäften nachging. In der Gasse davor waren vier Tempelwächter postiert. Weitere sorgten im Hof sowie im Haus selbst für die Sicherheit. Usa musste mehrmals eine Geschichte von unerkannt reisenden Boten erzählen, die dem Kommandanten dringende Nachricht brächten, ehe er endlich an die Tür von dessen Arbeitszimmer klopfen durfte.
    »Komm herein, Taramis«, hallte es von drinnen.
    Usa sah seinen Begleiter verdutzt an. »Ihr habt doch nur kurz und leise auf die Fragen der Posten geantwortet. Wie hat er Euch erkannt?«
    Der Gefragte grinste. »Kater Zur kann es eben nicht lassen. Er hat wieder mal gelauscht.«
    Schon flog die Tür auf, und die gedrungene, katzenhafte Gestalt des Zeridianers kam zum Vorschein. Er hatte die Brust durchgedrückt, die Arme ausgebreitet und strahlte über das ganze kantige Gesicht. »Untergräbst du meine Autorität bei den Männern, du Verräter?«
    »Ich versuche nur, den strengen Kommandanten der ruhmreichen Tempelwächter ein wenig menschlicher erscheinen zu lassen«, antwortete Taramis.
    Die beiden lachten, umarmten sich und begrüßten einander, wie es nur solche tun, die miteinander durch dick und dünn gegangen sind. Ob Taramis Fieber leide, er glühe so, scherzte der Hüter und ließ sich darüber aufklären, dass Lurkons Drachenfeuer die Haut seines Bezwingers immer noch zum Strahlen bringe.
    »Bist du nicht Siath?«, fragte Zur darauf die Ganesin. Seine Stimme klang überraschend sanft, und das Funkeln in seinen tiefbraunen Augen entlarvte ihn als heimlichen Bewunderer ihrer Anmut und Schönheit. Taramis kam es so vor, als sei er plötzlich Luft für seinen Freund.
    Sie nickte nur und wirkte ungewohnt verlegen.
    »Herzlich willkommen auf Jâr’en«, sagte Zur und nahm ihre Hände so behutsam wie einen zerbrechlichen Vogel. Selten hatte Taramis ihn so einfühlsam erlebt. »Du kehrst bestimmt mit gemischten Gefühlen auf die Heilige Insel zurück. Es tut mir so leid, was mit deinem Mann und deinem Sohn geschehen ist.«
    »Danke, Ihr seid sehr freundlich, Herr.« Siaths Blick ruhte auf seinen Händen.
    Zur ließ sie rasch wieder los und räusperte sich verlegen. »Du bist Taramis’ Freundin und damit auch die meine. Verzichten wir auf die Förmlichkeit. Nenne mich bitte Zur.«
    Während sie sich nochmals für die warmen Willkommensworte bedankte, musterte Taramis den alten Kampfgefährten argwöhnisch von der Seite. War es nur Höflichkeit, die er der hübschen Witwe angedeihen ließ, oder hatte sie ihn mit ihrem Zauber bereits umgarnt?
    Zur bat die Gäste in sein Arbeitszimmer. Es war noch derselbe schlichte Raum mit den klobigen Dielen, den Regalen voller

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