Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
sie eingeführt hatte. Das Haus Gaos soll allen Menschen offen stehen.«
»Eglon war nicht Herr seiner selbst. Gaal ist in ihm den Weg der Unsterblichkeit gegangen. Sollte er weiter seine Gegenspieler umbringen, könnte es auch bald Adriël treffen.«
»Ich spreche mit dem Chohén.«
»Tu das. Ich weiß, die Tempelwache ist bei dir in guten Händen. Der eigentliche Grund für unseren Kriegsrat ist mein dringendstes Anliegen. Gaal ist in die dunkle Wolke geflohen, die Menschen und Tiere tollwütig macht. Wir müssen ihn töten, ehe er noch größeren Schaden anrichtet.«
»Locken wir ihn doch heraus«, sagte Siaths Vater. Suriman war hochwüchsig, schlank, hatte dichtes, graues Haar, einen sauber gestutzten Vollbart und blaugraue Augen. Die Ähnlichkeit mit seinen Töchtern war unverkennbar.
»Nur wie? Hat irgendjemand einen Vorschlag?«
Adomai hob die Hand. Aus Achtung vor den älteren Personen am Tisch verbot es sich für ihn, einfach draufloszureden. Trotz seiner Jugend von höchstens zwanzig Jahren waren die Haare des Zeridianers schneeweiß. Er hatte sie zu fünf Zöpfen geflochten, die ihrerseits einen dickeren Zopf bildeten. Seine Augen waren tiefbraun mit bernsteinfarbenen Sprenkeln. Mit seinen sechs Fuß und der muskulösen Statur eines kräftigen Bauernjungen hätte er auch in der Tempelgarde eine gute Figur gemacht. »Herr Adriël berichtete mir, dass Pyron die Wolke mit Feuer bekämpft hat«, sagte der Priestergehilfe, nachdem Taramis ihm das Wort erteilt hatte.
»Das ist zwar aufschlussreich, doch ich weiß im Augenblick nicht, wie es uns weiterhilft. Kein Feuerbändiger ist mächtig genug, um uns den Weg bis Dagonis freizubrennen.«
»Ich wüsste jemand, der dazu in der Lage wäre«, brummte Jagur. Sein Blick war demonstrativ auf Taramis gerichtet.
»Vergiss es«, sagte der. »Ich habe das Drachenfeuer nicht unter Gewalt.«
»Dann solltest du es lernen. Heute hat es dir das Leben gerettet. Du musst es nur deinem Willen unterwerfen.«
»Ich fürchte, Gaal lässt mir dafür keine Zeit«, erwiderte Taramis ungeduldig. »Andere Vorschläge?«
Am Tisch entspann sich ein lebhafter Wortwechsel. Nach zwei Stunden – Taramis sah allmählich die Hoffnung auf eine Erfolg versprechende Strategie schwinden – meldete sich Siath mit einer Frage zu Wort. Sie blickte nicht einmal auf, strich nur gedankenversunken über die Tischplatte, als wolle sie mit dem Zedernholz ein stilles Zwiegespräch führen.
»Hatte Gaal Gefühle für seinen Sohn?«
»Für welchen?«, lachte Jagur. »Er muss Hunderte haben.«
»Ich rede von Bochim. Gaal hatte ihm, glaube ich, den Namen Reghosch gegeben.«
Taramis knabberte auf seiner Unterlippe. Bedächtig nickte er. »Der König ist kalt wie ein Fisch, aber ich habe auf Zin erlebt, wie er seinem Sprössling die Flucht befahl, anstatt sich von ihm aus unseren Händen befreien zu lassen. Ob ihn Vaterliebe dazu bewogen hat, weiß ich nicht. Vielleicht war es nur die Hoffnung, mithilfe von Bochim sein großes Ziel zu verwirklichen.«
»Die Weltherrschaft«, grunzte Jagur.
»Ja«, nickte Taramis. »Der Bastard von Gaal und Lebesi war ein Antisch, der Luft atmen konnte, der erste einer ganzen Armee, wenn es nach seinem Vater gegangen wäre. Als ich dem König gesagt habe, ich hätte seinen Sohn getötet, da war er jedenfalls ziemlich aufgeregt. Warum fragst du, Siath?«
»Angenommen, deine Behauptung damals wäre eine List gewesen, um Gaal zur Weißglut zu reizen, und Bochim lebte noch, versteckt in irgendeinem Kerker. Würde sein Vater nicht einiges riskieren, um ihn zu befreien?«
»Was nützt uns alles Wenn und Aber?«, meldete sich ein Greis von neunzig Jahren zu Wort. »Du hast das Blut deiner Mutter von diesem unseligen Feuermenschen zurückgefordert, Junge – er ist tot.«
Taramis lächelte listig. »Das hindert uns nicht daran, ein paar Gerüchte in Umlauf zu bringen. Am besten in Peor. Dort dürfte Gaal nach wie vor die meisten Spione haben.«
Am folgenden Tag bat der Hohepriester gleich nach seiner Rückkehr den amtierenden und den ehemaligen Hüter von Jâr’en zu einer Unterredung in sein Haus. Es war Mittag, und sie nahmen gemeinsam ein leichtes Mahl aus gedünstetem Gemüse und Fisch ein.
Anfangs bestritten der Chohén und sein erster Tempelwächter den Hauptteil des Gespräches. Adriël berichtete ausführlich von dem Vorfall auf Ramoth. Taramis fiel es schwer, ihrer Unterhaltung zu folgen. Vor seinem inneren Auge zogen Gesichter vorüber: das von
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