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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zurückhaben.«
    Taramis nickte ernst. »An mir soll es nicht liegen.«

16. Erntezeit auf Ramoth
    N iemand nahm Notiz von dem Verband aus sechs Drachenkröten und einigen Dutzend Ätherschlangen, der am frühen Morgen vor der dicht bewaldeten Insel im Meer trieb. Dafür gab es mehrere Gründe. Dass sich die dagonisische Armee im Schutz der dunklen Wolke an Ramoth heranpirschte, war nur einer davon.
    Gaal stand ganz vorne auf dem Panzer des königlichen Schwallers, der nicht weniger als einhundert Krieger trug. Die meisten waren sehr jung, blass getigert und konnten mithilfe von Lungen atmen. Missmutig hielt er Ausschau nach den Kundschaftern. Sie waren seit vier Stunden fort.
    Unwillkürlich blickte er sich nach Dagonis um, wo er nur Schwärze sah. Das finstere Gewaber vermittelte ihm das Gefühl, blind zu sein. Seine Barteln zitterten vor Zorn, und sein Stachelkragen sträubte sich. Ein unsichtbarer Bogenschütze hatte ihn links geblendet; unter der gestreiften Augenklappe war nur noch eine große, leere Höhle. Wie dumm, dass keine Gestalt, nicht einmal die einer so mächtigen Ätherschlange wie Arromog, einen Seelenfresser vor Verletzungen schützte. Er würde das Leben der Hälfte seiner Bastarde darauf verwetten, dass Taramis ihm das angetan hatte, dieser verfluchte Wurm von einem Gaukler.
    Der Gedanke an die baldige Rache tröstete Gaal ein wenig über den Verlust hinweg. Wenn es sein musste, gäbe er auch sein zweites Auge hin, damit Dagon endlich aus dem Kerker des Tartaros freikam. Danach würden die Kinder des Lichts nur mehr eine verblassende Erinnerung sein, ein Sklavengeschlecht, das einen besiegten Gott anbetete.
    Wie aus dem Nichts erschien plötzlich eine Ätherschlange mit vier Reitern vor der herrschaftlichen Drachenkröte. Das kleinere Tier ging längsseits zum großen, und ein Kundschafter wechselte auf den Panzer. Gaals Adjutant Takkath lief ihm entgegen. Der König beobachtete, wie der Späher seinem Vertrauten Bericht erstattete. Dabei konnte er nicht umhin, wie schon so oft dessen Ähnlichkeit mit ihm selbst zu bestaunen.
    Takkath war nur geringfügig kleiner als sein Herr, und die dunklen Töne seiner Tigerung schlugen etwas mehr ins Rotbraune. Sogar ihre Stimmen ähnelten sich. Als Gaal noch häufig in Gestalt Eglons nach Peor gereist war, hatte sein Doppelgänger ihn im Palast von Dagonis vertreten. Niemand am Hof war das Verwechslungsspiel aufgefallen. Vielleicht sollte er Takkath ein Auge ausbohren, damit er sich auch weiterhin als Double eignete.
    Der Adjutant schickte den Kundschafter weg, lief zum Oberbefehlshaber der dagonisischen Armee und verneigte sich tief. »Mein Herr Natsar.« Gaal bestand gewöhnlich darauf, dass seine Männer ihn während eines Feldzugs wie einen General mit seinem Familiennamen anredeten.
    »Spann mich nicht auf die Folter, Takkath«, antwortete er ungeduldig. »Was haben die Aufklärer herausgefunden?«
    »Der letzte Schwaller hat Ramoth verlassen.«
    »Ganz sicher?«
    »Ihr habt befohlen, gründlich nachzusehen. Deshalb sind die Kundschafter so spät zurückgekehrt. «
    »Dagon sei Dank! Die Voraussicht des Fischleibigen ist wahrhaft eines Gottes würdig. Nicht dass ich Zweifel am Erfolg seiner Wundertaten gehabt hätte, nachdem der Kesalonier uns vom Einfall der Wolke im Zeridia-Archipel berichtet hatte.«
    In Takkaths großen Augen blitzte der Schalk auf. »Selbstverständlich nicht, mein Herr. Ihr seid sein erster Diener.«
    »Die Flucht der Bewohner von Ramoth kann nur bedeuten, dass sie gegen den Samen der Dunkelheit machtlos sind.« Gaal ließ zufrieden den Äther durch seine Kiemenspalten strömen. »Dann lasst uns der Insel einen Besuch abstatten und Ernte halten.«
    Der Wurmbefall war überwältigend. Die mächtigen Ätherschlangen gingen in Schwärmen über die kleine Scholle nieder. Hinzu kamen die gewaltigen Drachenkröten, die Hunderte von dagonisischen Kriegern abluden.
    Gaal bezog Quartier im komfortablen Amts- und Wohnpalast des Stadtrates, während seine Soldaten die subtropische Insel systematisch nach geflügelten Antischkindern durchkämmten. Vor ungefähr sechs Wochen hatte die dunkle Wolke Ramoth zum ersten und vor sechs Tagen zum zweiten Mal heimgesucht. Die Bewohner, die danach geflohen waren, trugen nun den Samen von Dagonis mit sich in die Welt hinaus. Bald würden in allen Regionen lungenatmende Feuermenschen mit Flügeln ihre nutzlosen Hüllen abstreifen. Manche der Neugeschlüpften hatten wohl kaum eine Überlebenschance.

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