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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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liefen über den Hafendamm zurück zur gepflasterten Uferstraße. Auf dieser führte Ari sie zu einem Verbindungsweg, auf dem sie zum Nachbarsee gelangten. Mit jedem Schritt wurde das Gedränge dichter, was an den Großschwallern liegen mochte, die dort ihre Liegeplätze hatten. Ansonsten glich das Gewässer dem vorhergehenden wie ein Ei dem anderen. Hier wie da erfüllten die Molen nicht den Zweck von Wellenbrechern, sondern eher von befestigten Stegen, die bis aufs tiefe Wasser hinausreichten, wo auch Ellipsoide und sonstige Riesenschwaller mit großem Tiefgang festmachen konnten.
    »Er ist irgendwo da vorne«, sagte Ari und zog seine Mutter nach links mitten in das Geschiebe und Geschubse hinein.
    »Nicht so übermütig, kleiner Löwe.«
    Ari zerrte noch heftiger. »Schnell! Ich glaube, er ist in Gefahr.«
    Plötzlich entglitt seine verschwitzte Hand ihrem Griff. Kaum einen Wimpernschlag später war er in der brodelnden Menge verschwunden.
    »Ari!«, schrie Shúria. Erfolglos versuchte sie einen massigen Hakkorer zur Seite zu schieben, der die Lücke, durch die ihr Sohn entkommen war, sogleich wieder geschlossen hatte. Sie neigte sonst nicht zur Hysterie, doch die Ahnungen, die ihr zuvor schon auf der Seele gelegen hatten, drückten ihr die Luft ab. Ihr war schwindelig vor Sorge. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter.
    »Wo ist er hin?« Es war Ischáh.
    »Er ist in diese Richtung gelaufen.« Shúria deutete in die Menschenmenge. Sie hatte das Gefühl, vor einer undurchdringlichen Mauer aus schwitzenden und stinkenden Leibern zu stehen.
    Unvermittelt tat sich vor ihr eine Lücke auf, und sie kam endlich wieder voran. Fortgesetzt Aris Namen rufend, folgte sie der Uferstraße. Zahlreiche Leute drehten sich nach ihr um und bildeten bald sogar eine Gasse. Doch von dem Jungen war nichts zu sehen. Ischáh, Keter, Simli und ihren Bruder hatte sie ebenfalls verloren.
    Wie ein Wiesel flitzte Ari auf einer Mole zwischen den Menschen und Packtieren hindurch. Die Gabe des Findens war bei ihm noch nicht voll entwickelt, weshalb er das, was er gerade spürte, nicht recht einzuordnen wusste. Im Fall von Onkel Lauris hatte er lediglich gefühlt, in welcher Richtung er suchen musste. Bei dem kleinen Duner war das anders. Er hatte mit Almin während der Reise oft gespielt, und aus dieser freundschaftlichen Bindung war auch ein stärkeres Empfinden für sein Inneres Licht erwachsen. So nannte Ari die Aura jedes Dings und jedes Lebewesens, auf die seine Geistesgabe ansprach. Sein Freund war in Lebensgefahr, so viel meinte er zu wissen.
    Der Junge kämpfte sich bis zu einer Drachenkröte durch. Staunend blieb er vor dem gewaltigen Meeresbewohner stehen. Sein Vater hatte ihm von diesen Schwallern erzählt, die riesigen Wasserschildkröten mit Drachenköpfen glichen. Früher seien sie fast ausschließlich von den fischköpfigen Dagonisiern benutzt worden. Weil Komana jedoch lange zum dagonisischen Einflussgebiet gehört hatte, seien die gepanzerten Echsen heute in Peor keine Seltenheit mehr. Bei dem Exemplar, das an der Mole lag, musste es sich um ein Jungtier handeln. Der Panzer hatte sich noch nicht geglättet – er sah aus wie eine Wiese voller Maulwurfshügel.
    Überraschender als das Tier war für Ari allerdings die Besatzung, welche gerade die Leinen löste. Die bezopften Männer waren, soweit erkennbar, am ganzen Körper tätowiert und trugen Kleidung aus Pferdeleder. Es handelte sich ausnahmslos um Kesalonier. Ihren Beinamen Drachenreiter verdankten sie, falls Ari sich richtig an die Schilderungen seines Vaters erinnerte, wesentlich kleineren Schwalltieren, den geflügelten Äthersalamandern. Mit ihrer Drachenkröte fielen sie hier zwischen all den anderen Kauffahrern kaum auf. Niemand konnte ahnen, dass im durchlöcherten Panzer des Tieres ein Mann gefangen war, der um sein Leben bangte. Keiner außer dem Jungen auf dem Hafendamm.
    Ari sah sich nach seiner Mutter und Onkel Lauris um. Weder von den beiden noch von Ischáh, Keter oder Simli war etwas zu sehen. Wenn er seinem Freund Almin helfen wollte, dann musste er es sofort tun, da die Drachenkröte gleich ihre Schwallblasen füllen und himmelwärts schweben würde.
    Hat Papa je gezögert, einem Kameraden in Not beizustehen?, fragte sich Ari. Er konnte sich dergleichen nicht vorstellen. Aber wie sollte er auf den Schwaller gelangen, ohne von den Seeleuten bemerkt zu werden? Grübelnd betrachtete er die Menschen mit ihren Packtieren, die entweder in die Stadt oder zu den

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