Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
retten werde. Laute des Unmuts mischten sich mit Beifall, als sich ein langhaariger Hüne kopfüber ins Wasser stürzte, um dem in Not Geratenen zu helfen.
Lauris tauchte in einem Zug bis zu dem Gefährten – ob seiner Kiemen bestand für ihn keine Notwendigkeit, zwischendurch nach Luft zu schnappen. Erst neben Almin kam er wieder an die Oberfläche, packte ihn am Kragen und kehrte mit ihm zur Mole zurück.
Als nichts mehr von dem Schwaller zu sehen war, wandte sich Shúria mit Tränen in den Augen dem Geschehen in ihrer unmittelbaren Umgebung zu. Es kam ihr so unwirklich vor, so belanglos verglichen mit dem, was das Schicksal ihr aufbürdete. Lauris hatte sich Almin wie ein erlegtes Stück Wild über die Schulter geworfen und stieg mit ihm an einer Leiter zum Hafendamm hinauf. Oben angekommen ließ er ihn mit Simlis Unterstützung behutsam zu Boden sinken. Sogleich kümmerten sich Ischáh und Keter um den reglos daliegenden Kameraden. Sein Gesicht war schlimm zugerichtet. Schaulustige, die sich vom Zustand des Geretteten überzeugen wollten, um gegebenenfalls ihren Wettgewinn einzustreichen, nahmen Shúria unvermittelt die Sicht.
Die Sorge um Ari verlieh ihr Bärenkräfte. Mit groben Stößen bahnte sie sich einen Weg durch eine Wand schwitzender Körper. Sie musste alles über die Männer erfahren, die ihren Sohn entführt hatten. Almin hatte sich inzwischen aufgesetzt. Sein geschwollenes Gesicht sah zum Fürchten aus. Sie kniete sich neben Ischáh, die den Duner offenbar nach seinem Befinden gefragt hatte.
»Mir geht’s prächtig, abgesehen von den Prellungen und der gebrochenen Rippe«, antwortete der zähe kleine Seemann und spuckte sich einen Zahn in die Hand. »Was mir Sorgen bereitet, ist der Junge.«
»Was sind die Entführer für Leute? Wohin bringen sie Ari?«, platzte Shúria heraus. Trotzig wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Ihr war bewusst, wie gefühllos ihr Verhalten auf die anderen wirken musste. Aus der Menge drang Gemurmel, als man das Gehörte weitertrug.
Der Duner schlug beschämt die Augen nieder. »Ich hätte ihn einfach festhalten sollen, als ich sprang. Es tut mir leid, Shúria. Vor Schmerzen konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen.«
Im Hintergrund stöhnte jemand mitleidvoll.
»Ich werfe dir nichts vor, Almin. Nur hilf mir bitte, meinen Sohn zurückzubekommen. Was weißt du über die Leute auf der Drachenkröte?«
Der Gefragte senkte die Stimme. »Sie kannten dich und Ari mit Namen. Es schien, als suchten sie nach euch. Es waren Kesalonier.«
»Auf einem dagonisischen Schwaller? Bist du sicher?«, erkundigte sich Simli.
»Ich habe nur zwei von ihnen gesehen, beide am ganzen Körper tätowiert. Und Ari hat auch nur von Drachenmännern gesprochen, als er mich von meinen Fesseln befreite.«
Shúria wandte sich Ischáh zu und fragte leise: »Kannst du mich nach Kesalonien bringen?«
»Ist das nicht etwas voreilig? Wir wissen doch gar nicht, ob sie den Jungen in ihre Steppen verschleppen.«
»Wohin denn sonst, Ischáh? Erst haben die Drachenleute unseren Hof auf Barnea überfallen, und jetzt entführen sie meinen Sohn. Ich weiß nicht, was wir ihnen getan haben, aber ich werde es herausfinden. Wenn es sein muss, wird mir ihr König Rede und Antwort stehen.«
»Khan.«
»Wie bitte?«
»Bahadur ist kein König, sondern der Khan der Steppenstämme. Du weißt so gut wie nichts über diese Leute und willst ihnen dennoch eine Geisel abtrotzen. Wie stellst du dir das vor, Shúria? Lass dir von einer erfahrenen Händlerin sagen, dass eine schwache Verhandlungsposition der sicherste Weg zu einem großen Verlust ist.«
»Mich hat schon mancher unterschätzt. Ich bin lernfähig.«
Ischáh seufzte. »Mir ist klar, wie ernst du es meinst, Schwester. Siath hat mir erzählt, wie du Eglon und Og widerstanden hast, um deinen Sohn zu schützen. Trotzdem muss ich dich warnen. Die Steppenreiter haben keine hohe Meinung von Fremden. Und von Frauen halten sie ohnehin nichts. Wir zählen für sie weniger als ihre Pferde und Äthersalamander.«
»Es genügt, mich vor dem Lager des Khans abzusetzen«, antwortete Shúria trotzig. Der Wind wehte ihr den säuerlichen Geruch ungewaschener Körper in die Nase. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie die Hälse der Leute, die etwas von dem Gespräch aufzuschnappen versuchten, immer länger wurden.
»Jetzt sei nicht so stur«, raunte Ischáh. »Ich will dir ja helfen.«
»Schön. Dann lass uns gleich nach Kesalonien aufbrechen.«
»Und
Weitere Kostenlose Bücher