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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Die Zeridianer hatten auf der luftigen Mauerkrone Posten bezogen. Sie waren exzellente Bogenschützen und konnten im Ernstfall von dort oben das tiefer gelegene Turmdach mit Pfeilen eindecken.
    Auch die beiden Frauen trugen das Ihre zum Schutz der Gemeinschaft bei. Selvyas Innerem Auge blieb kein Ränkespiel verborgen. Die Schätzerin hatte am ersten Tag jedem Bewohner der Burg die Hand geschüttelt und sogar die Vierbeiner und das Geflügel geprüft. Dabei war ein Soldat als dagonisischer Seelenfresser entlarvt worden. Taramis hatte ihn der Feuerprobe unterzogen. Er legte ihm das schwarze Holz von Ez auf die Stirn, woraufhin der Spion an inneren Verbrennungen starb. Von dieser besorgniserregenden Ausnahme abgesehen, erwiesen sich sämtliche Menschen und Tiere auf der Feste als vertrauenswürdig.
    Mittlerweile unternahmen Siath und Selvya regelmäßige Kontrollgänge in die nähere Umgebung der Burg. Vor allem die Ganesin nutzte ihre Gabe, um auf die Stimme der Natur zu hören und die Geschöpfe der Insel als Späher auszusenden. Sie war es auch, die am Mittag des vierten Tages in den Kerkerturm stieg, um Taramis zu warnen. Jagur kam in ihrem Schlepptau ebenfalls aufs Dach, und Pyron hatte sich ohnehin kurz zuvor hinaufbegeben, um seinen Freund abzulösen. Die drei Männer waren von der Nachricht für einen Augenblick wie gelähmt.
    »Bist du dir sicher?«, fragte Taramis mechanisch. Er hatte erlebt, wie Siaths Schwester mit Nacktmullen und Fledermäusen sprach, und zweifelte eigentlich nicht an ihren Worten.
    Sie nickte. »Ich habe mit zwei Nakileps gesprochen, die vor der Finsternis hierher geflohen sind. Sie berichteten unabhängig voneinander genau dasselbe: In wenigen Stunden werden wir die dunkle Wolke sehen. Spätestens heute Abend erreicht sie die Insel.«
    Taramis sah den Kirrie an. »Sagte ich nicht, Gaal sei immer für eine Überraschung gut? Er braucht gar keine Armee, um Toss einzunehmen. Seine verfluchte Wolke wird hier alle in den Wahnsinn treiben.«
    Jagur knirschte mit den Zähnen.
    »Nicht unbedingt.« Der Einwand kam von Pyron.
    Die anderen drei sahen ihn fragend an.
    »Ich habe auf Ramoth erlebt, was die Saat der Finsternis anrichtet«, erklärte er. »Allerdings vermochte sie weder dem Hohepriester noch uns Tempelwächtern etwas anzuhaben. Möglicherweise lag es ja an dem Feuer, mit dem ich die Wolke verdampft habe, oder daran, dass wir Zeridianer instinktiv unsere Kiemen gebrauchten, um uns vor ihr zu schützen.«
    Taramis legte dem alten Kampfgefährten die Hand auf die Schulter. »Dann können wir den Spieß vielleicht umdrehen. Wir lösen den Sperrgürtel auf. Cedians Reiter sollen sofort ihre Tiere herbeirufen. Es muss wie ein überstürzter Truppenabzug aussehen, wie eine kopflose Flucht.«
    »Jagurs Donnerkeil sollte Toss ebenfalls verlassen«, sagte Siath.
    »Wieso das?«, fragte der Kirrie.
    Taramis nickte. Er hatte auch schon daran gedacht. »Wegen des Spions, den Selvya enttarnt hat. Er könnte unsere Anwesenheit auf der Insel gemeldet haben. Sie sollen glauben, wir nähmen Reißaus wie alle anderen. In Wirklichkeit legen wir mit einigen auserlesenen Kriegern einen Hinterhalt. Wie viele Männer kannst du mit deinem Feuer vor der Wolke abschirmen, Pyron?«
    »Ich schätze, ein gutes Dutzend. Mit ein paar großen Wachfeuern im Hof vielleicht auch zwei. Aber sie müssten dicht zusammenstehen.«
    »Das würde nur den Argwohn des Gegners erregen. Cedian soll uns nur eine Handvoll seiner besten Kämpfer an die Seite stellen. Das muss genügen. Jeder bekommt zum Schutz vor der Wolke eine Fackel. Möglicherweise lässt sich Gaal zu einer Unvorsichtigkeit hinreißen, wenn er glaubt, er habe uns alle vertrieben.«
    Der Abzug war ganz unmilitärisch chaotisch verlaufen. Eben noch hatten die Schwaller im Meer vor Toss ihre Kreise gezogen, im nächsten Augenblick flohen sie ins Labyrinth der tausend Scherben. Die Besatzung der Feste war kaum weniger ungeordnet abgezogen. Zurück blieben lediglich, so schien es jedenfalls, ein paar fallen gelassene Helme, Speere und Schilde im Burghof. Nicht einmal die Fackeln hatte man gelöscht. In der heraufziehenden Nacht beleuchtete ihr flackerndes Licht eine gespenstische Leere.
    Auch vor der Wachhütte auf dem Dach des Gefangenenturmes brannte ein Feuer. Taramis – er trug jetzt den Harnisch eines komanaischen Kriegers – beobachtete aus dem Versteck heraus, wie die letzten Sonnenstrahlen in der wabernden Schwärze erloschen. Es überlief ihn kalt, als

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