Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Klippen, die sie wie eine Zackenkrone umgaben. Wegen der schroffen Felsen, die stellenweise eine Meile weit senkrecht abstürzten, ließ sich vom Meer aus schwer feststellen, wo der obere Teil der Insel endete und wo ihr zerklüfteter Wurzelstock begann.
Vertrauenswürdige Männer hatten den verkohlten Leichnam Bochims auf Peridas’ Geheiß hin in Peor exhumiert und in die Feste am Ende der Welt gebracht. Die jahrhundertealte Trutzburg thronte, direkt am Meer gelegen, auf der höchsten Erhebung von Toss. Ihre Außenmauer bildete die grauschwarze Klippe, weshalb sie trotz ihrer exponierten Lage leicht übersehen werden konnte. Lediglich die Mauerkrone war von Menschenhand begradigt und mit Zinnen bewehrt worden. Im Innenhof standen ein runder, gemauerter Burgfried, ein Wohnhaus aus großen Steinquadern sowie mehrere Holzgebäude, die Ställe und Werkstätten beherbergten.
Eigentlich war die Feste am Ende der Welt ein Grenzposten zum Schutz vor Plünderern, die Komana im Laufe des vergangenen Jahrtausends mit schöner Regelmäßigkeit überfallen hatten. Wegen der abgelegenen Lage der Insel diente sie den Machthabern des größten Inselreiches von Berith auch immer wieder als Gefängnis. Mancher Querulant hatte hier im Exil seine letzten Lebensjahrzehnte verbracht. Insofern war das von Taramis lancierte Gerücht, der Kronprinz von Dagonis werde in der abgeschiedenen Festung gefangen gehalten, also durchaus glaubhaft.
Jagur höchstselbst lenkte seinen Donnerkeil zu einem kleinen Quellsee, der unterhalb der alten Wehranlage inmitten mächtiger Baumriesen lag. Wegen ihrer weit aufs Wasser hinausreichenden Äste war er vom Meer aus nur schwer einsehbar. Dicht hinter Aviathan folgte Usas Mamogh Arik.
Im Mondlicht marschierten die Gefährten wenig später auf einem breiten, steil ansteigenden Trampelpfad zur Festung. Nur Tebok und Kobet blieben zurück. Taramis und Jagur übernahmen auf Allon die Führung. Das Ippo war trotz der schwülen Wärme kaum zu bändigen, jetzt wo es endlich die Enge der Kiemenkapsel verlassen hatte und sich wieder frei bewegen konnte. Auch Siaths Goldmilan Tosu erkundete übermütig den Himmel über Toss. Die Ganesin und Selvya liefen in der Mitte der Kolonne. Pyron, Usa und Adomai schließlich bildeten die Nachhut. Als die Gruppe das Haupttor erreichte, war jeder schweißgebadet.
Taramis zeigte dem Wachhabenden das von Peridas ausgestellte Beglaubigungsschreiben, das ihn als Sonderbevollmächtigten der Generalität auswies. Auch in diesem abgelegenen Winkel der Welt waren der ehemalige Hüter von Jâr’en und sein Feuerstab eine Legende. Sie wurden sofort eingelassen und in den kleinen, von Fackeln erhellten Burghof geführt. Der Posten bat die Gäste um etwas Geduld, damit er den Kommandanten von ihrer Ankunft unterrichten könne. Eilig stieg er die Stufen zum Hauptgebäude hinauf und verschwand darin.
Wenig später kam er wieder heraus. Ihm folgte ein mittelgroßer Mann mit bronzefarbener Haut, sauber gestutztem Vollbart und wettergegerbtem Gesicht. Er trug einen schmucklosen, brünierten Brustpanzer und eine Art Rock aus plattenbesetzten Lederriemen, der typische Unterleibsschutz in der komanaischen Armee. Den Gästen stellte er sich als Cedian vor.
»Wir haben alles so vorbereitet, wie es in den Befehlen von General Peridas stand«, erklärte der Kommandant dem Sonderbevollmächtigten nach der Begrüßung.
»Und der … Gefangene? Ist er im Turm?«, fragte Taramis.
Cedian nickte. »Die übliche Verfahrensweise für unsere Dauergäste.«
»Kann ich ihn sehen?«
»Jetzt gleich?«
»Falls Ihr so freundlich seid.«
»Es ist kein angenehmer Anblick.«
»Das denke ich mir. Ich habe ihn zu dem gemacht, was er heute ist – mithilfe des Feuerstabes.«
Der Kommandant blickte unbehaglich auf Ez. »Gut, dass er verpackt ist.«
»Es genügt, wenn Jagur und Pyron mich begleiten. Habt Ihr hier einen Ort, an dem sich die anderen von den Strapazen der Reise erholen können?«
»Ja, die königlichen Gemächer. Wir nennen sie immer noch so, obwohl Ihr uns von unserem letzten Monarchen befreit habt, Herr Taramis. Abgesehen von Lebesi hat da oben nie ein gekröntes Haupt gewohnt, schon gar nicht König Og.« Cedian grinste. »Die Räume liegen im Obergeschoss. Wir hatten hier zu keiner Zeit genügend Männer, um seine enorme Leibesfülle bis dort hinaufzuschleppen. Der Hauptmann wird Eure Gefährten einquartieren, während ich Euch – wie sagtet Ihr so hübsch? – den Gefangenen
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