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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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kurz darauf die Stimmen des Dschungels erstarben. Pyron hatte die Wirkung der Wolke ganz anders geschildert. Er hatte von einer Kakophonie der Angst gesprochen, stattdessen senkte sich mit der Dunkelheit eine unheimliche Stille auf Toss. Saßen in Wahrheit jetzt sie in der Falle? Würde die Saat der Finsternis sie alle in fischköpfige, fliegende Ungeheuer verwandeln?
    Die Stimmung änderte sich, sobald das dunkle Gewaber in die Lufthülle eindrang. Wie ein Sämann streute es Furcht ins Herz jeder Kreatur, deren Lunge sich mit dem unheilvollen Samen füllte. Zuerst begannen die Bewohner der Lüfte zu schreien. Dann spielten die Tiere des Waldes verrückt. Die Affen in den Baumwipfeln verfielen in Raserei. Vögel kreischten wie am Spieß. Sonst friedliche Geschöpfe gingen mit Zähnen und Klauen aufeinander los. Die ganze Insel war in Aufruhr.
    Als die Woge der Finsternis auf die Klippenfestung zurollte, rückte Taramis unwillkürlich näher an die Fackel heran, die in einem Eisenring draußen neben dem Eingang der Wachhütte steckte. Er zwang sich zur Kiemenatmung, was in der Lufthülle der Scholle ziemlich riskant war. Schwindelanfälle und Müdigkeit waren die Warnzeichen, auf die er achten musste, ansonsten würde es ihm wie einem Fisch auf dem trockenen Land ergehen.
    Das Dunkel senkte sich wie eine Rußwolke auf die Burg herab. Plötzlich fauchte vor seinem Gesicht eine Lohe himmelwärts. Es sah aus, als sei die Wolke in Brand geraten. Doch es war Pyron, der die Flammen von seinem Versteck auf der Festungsmauer aus verstärkte. Er hatte gemeint, dies sei die unauffälligste Methode, sich gegen den Angriff zu wehren. Vermutlich wüssten nicht einmal die Dagonisier genau, wie heftig die finstere Saat auf Feuer reagierte. Obwohl Taramis vorgewarnt war, fuhr er erschrocken zurück.
    Auch aus anderen Winkeln der Wehranlage hallte das Fauchen herüber. Dazwischen mischten sich menschliche Schreie. Cedian hatte Pyrons Rat missachtet und mehr Soldaten zurückbehalten, als der Feuerbändiger schützen konnte. Nun rächte sich dieser Eigensinn. Taramis verdrängte die Vorstellung an leere Körperhüllen, aus denen geflügelte Antischkinder schlüpften. Er musste sich auf die unmittelbare Bedrohung konzentrieren.
    Der Angriff auf den Turm erfolgte überraschend schnell. Während die dunkle Wolke sich noch zurückzog und die Stimmen aus dem Wald einer erschöpften Stille wichen, tauchte über der Burg plötzlich eine Ätherschlange auf. Im ersten Moment fürchtete Taramis, es sei Gaal selbst, doch dann sah er die Reiter. Ungefähr zwei Dutzend Antische saßen auf dem Tier.
    Der Drachenwurm war zu gewaltig, um innerhalb der Festungsmauern zu landen. Leise wie ein Nebeldunst blieb er über der Wehranlage in der Luft stehen. Seile entrollten sich. Noch ehe die Enden den Boden berührt hatten, glitten schon dagonisische Krieger daran herab. Fast lautlos verteilten sie sich im Innenhof. Vier oder fünf besonders Wagemutige sprangen auf die Mauerkrone.
    »Abwarten!«, flüsterte Taramis. Behutsam zog er das Futteral vom Feuerstab und lockerte sein Schwert in der Scheide. Natürlich konnten seine Kameraden ihn nicht hören. Er hatte sie angewiesen, sich ruhig zu verhalten, bis sich etwas auf dem Dach des Burgfrieds tat. Pyron versteckte sich in einem Unterstand auf der Mauer. Von dort aus hatte er die beste Sicht und würde das Zeichen zum Angriff geben.
    Plötzlich vernahm Taramis ein verdächtiges Geräusch. Zwei, drei Mal hörte er ein Flappen wie von großen Flügeln, dann kehrte die Stille zurück. Sämtliche Härchen auf seinem Körper richteten sich auf. Er hatte nichts gesehen, weder in den schmalen Fenstern der Wachhütte, die kaum mehr als Schießscharten waren, noch durch die offene Tür. Trotzdem meinte er die Gegenwart einer zweiten Person zu spüren. Instinktiv beschwor er die Zähe Zeit herauf.
    Mit einem Mal wusste er, warum er den anderen nicht sah. Das geflügelte Wesen musste auf dem Dach der Hütte gelandet sein. Und dort lauerte es jetzt auf ihn.
    Wie zur Bestätigung fauchte eine neue Lohe von der Fackel empor. Im selben Moment loderten ähnliche Flammenzungen an verschiedenen Stellen der Wehranlage auf.
    Pyron hatte das Zeichen zum Angriff gegeben.
    Noch während die Hitze des Feuers über das Hüttendach fegte, sprang Taramis mit gezücktem Schwert und nach oben gerecktem Stab ins Freie und wirbelte herum. Wider Erwarten stürzte sich kein Zioraner mit seinen scharfen Klauen auf ihn. Der Gegner hatte diese

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