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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Frau.«
    »Gewiß ist das daher gekommen, daß Sklaven oft in praller Sonne arbeiten müssen«, bemerkte ich. »Viele Gebräuche von früher muten uns heute recht sonderbar an.«
    Hierauf wurde er etwas ärgerlich. »Glaub mir, junger Mann, ich habe früher gelebt, und ich lebe jetzt, und ich weiß sehr viel besser als du, was am besten ist.«
    »Das hat auch Meister Palaemon oft gesagt.«
    Wie ich gehofft hatte, brachte ihn das wieder aufs eigentliche Thema. »Es gibt nur drei Wege, wie jemand Sklave werden kann«, erklärte er. »Allerdings gilt das nicht für Frauen, wegen Heirat und dergleichen.
    Wenn ein Mann – der Sklave ist – aus dem Ausland in die Republik geschafft wird, bleibt er Sklave, und der Herr, der ihn herschafft, kann ihn verkaufen, wenn er will. Das ist die erste Möglichkeit. Kriegsgefangene – wie dieser Ascier hier – sind die Sklaven des Autarchen, dem Herrn der Herren und Sklaven der Sklaven. Der Autarch kann sie nach Belieben veräußern. Das tut er auch oft, denn die meisten Ascier sind für nichts anderes als die einfachsten Arbeiten zu gebrauchen, weswegen man sie häufig als Ruderknechte an den Oberläufen vorfindet. Das ist Nummer zwei.
    Numero drei ist, daß ein Mann sich selbst in den Dienst eines anderen verkaufen kann, denn ein freier Mann ist Herr über seinen Leib – er ist sozusagen sein eigener Sklave.«
    »Sklaven«, erläuterte ich, »werden selten von Folterern geschlagen. Wozu auch, wenn sie von den eigenen Herren geschlagen werden dürfen?«
    »Ich war damals kein Sklave. Das ist’s unter anderem, worüber ich den Gesellen Palaemon fragen wollte. Ich war nur ein junger Bursche, der beim Stehlen ertappt worden war. Der Geselle Palaemon kam am Morgen des Tages, an dem ich ausgepeitscht werden sollte, zu mir herein. Ich hielt das für eine gütige Geste von ihm, obwohl er mir bei dieser Gelegenheit verriet, daß er von der Zunft der Folterer sei.«
    »Wir bereiten einen Klienten stets vor, wenn’s geht«, warf ich ein.
    »Er sagte mir, ich solle nicht versuchen, Schreie zu unterdrücken – es tue nicht ganz so weh, erklärte er mir, wenn man schreie, sobald die Peitsche niederfahre. Er versicherte mir, es gebe keinen Schlag mehr, als der Richter angeordnet habe, so daß ich mitzählen könne, wenn ich wolle, wodurch ich auch wüßte, wann’s überstanden wäre. Und er versprach, nicht fester zuzuschlagen als erforderlich, um nur die Haut aufzureißen, mir aber keine Knochen zu brechen.«
    Ich nickte. »Ich fragte dann, ob er mir einen Gefallen täte, und er meinte, gern, wenn’s ihm möglich wäre. Ich wollte, daß er nach der Prozedur wiederkäme, um mit ihm zu sprechen, und er meinte, er wolle es versuchen, sobald ich mich etwas erholt hätte. Dann kam ein Mönch und las ein Gebet.
    Man band mich mit den Händen über dem Kopf an einen Pfosten, und die Anklageschrift wurde über meinen Händen festgenagelt. Wirst das selber schon oft gemacht haben.«
    »Oft genug«, versicherte ich.
    »Mit mir wurde bestimmt nicht anders als sonst verfahren. Ich hab’ zwar noch die Narben, aber sie sind zurückgegangen, wie du gesagt hast. Ich hab’ schon so manchen mit schlimmren gesehn. Die Kerkermeister, sie schleppten mich in die Zelle zurück, wie’s der Brauch ist, aber ich hätte, glaub’ ich, durchaus gehen können. Es tat nicht so weh, wie wenn man einen Arm oder ein Bein verliert. Hier habe ich gar oft schon das eine oder andere abzunehmen geholfen.«
    »Warst du damals schlank?« fragte ich ihn.
    »Sehr schlank. Dürr. Ich glaube, man konnte bei mir alle Rippen zählen.«
    »Ein Glück für dich. Die Peitsche schneidet sich tief in den Rücken eines Fettleibigen, und er blutet wie ein Schwein. Die Leute sagen oft, Händler bekämen zu milde Strafen für falsches Wiegen und so weiter, aber wer so etwas sagt, weiß nicht, wie sie leiden, wenn’s zu einer Züchtigung kommt.«
    Winnoc nickte hierauf. »Am nächsten Tag fühlte ich mich fast wieder so bei Kräften wie eh und je, und der Geselle Palaemon erschien, wie versprochen, in meiner Zelle. Ich erzählte ihm, wie’s um mich stehe – wie ich lebte und all das –, und fragte ihn zu seiner Person. Ich schätze, es kommt dir sehr sonderbar vor, daß ich das Gespräch mit dem Mann suchte, der mich ausgepeitscht hatte?«
    »Nein. Mir ist dergleichen oft zu Ohren gekommen.«
    »Er erzählte mir, er habe sich gegen seine Gilde versündigt. Er wollte mir nicht sagen, worum es sich handelte, aber er sei deshalb

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