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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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das Geld zu meiner Mutter.«
    Ich sagte: »Das machte sie bestimmt glücklich, und dich gleichfalls.«
    »Sie hielt es für eine List, aber ich ließ es dennoch bei ihr. Ich mußte natürlich unverzüglich zum Orden zurückkehren, und man hatte mir jemand als Begleitung mitgeschickt. Nun bin ich seit dreißig Jahren dabei.«
    »Darf man gratulieren?«
    »Weiß nicht. Es war ein schweres Leben, aber freilich ist jedes Leben schwer, soweit ich das mitbekommen hab’.«
    »Stimmt«, pflichtete ich ihm bei. Offengestanden wurde ich allmählich schläfrig und hoffte, er würde bald gehen. »War sehr interessant, deine Geschichte zu hören. Danke.«
    »Ich will dich etwas fragen«, sagte er, »und ich will, daß du den Gesellen Palaemon für mich fragst, wenn du ihn wiedersiehst.«
    Ich nickte auffordernd.
    »Für milde Herrinnen hältst du die Pelerinen, wie du sagst, womit du wohl auch recht hast. Ich habe von einigen davon viel Güte erfahren, und ich bin hier nie ausgepeitscht worden – es gab höchstens mal ein paar Klapse. Aber du sollst wissen, wie sie hier mit einem verfahren. Sklaven, die unartig sind, werden verkauft, das ist alles. Vielleicht kannst du mir nicht folgen.«
    »Ich glaube nicht.«
    »Es verkaufen sich viele Männer an den Orden, weil sie wie ich der Meinung sind, ein schönes, abenteuerreiches Leben vor sich zu haben. So ist es auch meistens, und den Kranken und Versehrten zu helfen vermittelt einem besondere Freude. Aber jene, die den Pelerinen mißfallen, werden verkauft, und die Damen kassieren viel mehr dafür, als sie selbst bezahlt haben. Verstehst du jetzt? Auf diese Weise brauchen sie keinen zu schlagen. Eine der schlimmsten Strafen, die man hier bekommt, ist Kloputzen. Freilich kann’s einem, wenn man ihnen nicht behagt, mitunter passieren, daß man sich in einem Bergwerk wiederfindet.
    Was ich den Gesellen Palaemon in all den Jahren fragen wollte …« Winnoc hielt inne und kaute auf seiner Unterlippe herum. »Er war ein Folterer, nicht wahr? Das hat er selber gesagt, und das hast auch du gesagt.«
    »Ja, war er. Ist er noch.«
    »Dann möchte ich wissen, ob er mir sagte, was er mir riet, nur um mich zu quälen. Oder riet er mir zu meinem Besten?« Er wandte das Gesicht ab, damit ich seine Miene nicht sähe. »Willst du ihn das für mich fragen? Eines Tages begegne ich dir vielleicht wieder.«
    Ich sagte: »Er riet dir zu deinem Besten, davon bin ich überzeugt. Wenn du geblieben wärst, was du warst, wärst du vielleicht längst von ihm oder einem Amtsbruder hingerichtet worden. Hast du schon einmal eine Hinrichtung gesehn? Allerdings sind Folterer nicht allwissend.«
    Winnoc stand auf. »Und Sklaven auch nicht. Danke, junger Mann.«
    Ich tippte ihm auf den Arm, um ihn aufzuhalten. »Darf ich dich auch etwas fragen? Ich bin selber Folterer gewesen. Wenn du jahrelang befürchtet hast, Meister Palaemon habe nur gesagt, was er dir riet, um dich zu quälen, woher weißt du dann, daß ich soeben nicht das gleiche tat?«
    »Weil du dann das andere gesagt hättest«, erklärte er mir. »Gut’ Nacht, junger Mann.«
     
    Ich überlegte eine Weile, was Winnoc mir gesagt und was vor so langer Zeit Meister Palaemon gesagt hatte. Vielleicht war also auch er auf Wanderschaft gewesen – zehn Jahre vor meiner Geburt. Und dennoch war er in die Zitadelle zurückgekehrt und ein Meister der Zunft geworden. Ich besann mich darauf, wie Abdiesus (den ich verraten hatte) mich zum Meister hatte machen wollen. Sicherlich war das Verbrechen, was immer es auch gewesen sein mochte, das Meister Palaemon sich zuschulden kommen ließ, später von allen Brüdern der Zunft verschwiegen worden. Nun war er ein Meister, obwohl – wie ich’s mein ganzes Leben gewohnt war, so daß es mich auch nicht wunderte – Meister Gurloes die Geschäfte unserer Zunft führte, obwohl er um einiges jünger war. Draußen spielten die lauen Winde des nördlichen Sommers mit den Spannseilen; mir allerdings war, als erklömme ich die Stufen des Matachin-Turms und hörte die kalten Winde zwischen den Türmen der Zitadelle heulen. Schließlich richtete ich mich auf in der Hoffnung, ein wenig Zerstreuung zu finden, streckte meine Glieder und ging an Foilas Feldbett. Da sie nicht schlief, unterhielten wir uns eine Weile, wobei ich sie fragte, ob ich nun die Geschichten beurteilen solle; aber sie versetzte, damit müsse ich mindestens noch einen Tag warten.
     

 
Foilas Geschichte: Die Tochter des Waffenträgers
     
    Hallvard und Melito

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