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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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der kahlköpfigen Sklaven. Ich hatte mich aufgesetzt und versucht, mit dem Ascier ins Gespräch zu kommen, als er neben mir Platz nahm. »Erinnerst du dich an mich, Liktor?« fragte er. »Winnoc heiß’ ich.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich war’s, der dich in der Nacht deiner Ankunft gebadet und versorgt hat«, erklärte er mir. »Ich komme erst jetzt, weil ich warten wollte, bis es dir wieder besser geht. Gestern abend hab’ ich’s schon versucht, aber du warst tief im Gespräch mit einer unserer Novizinnen.«
    Ich fragte, was ihm am Herzen liege.
    »Gerade hab’ ich dich Liktor genannt, und du hast nichts dagegen eingewandt. Bist du tatsächlich ein Liktor? Du warst in jener Nacht so angezogen.«
    »Ich bin Liktor gewesen«, versetzte ich. »’s ist das einzige Gewand, das ich besitze.«
    »Aber du bist nicht mehr Liktor?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin in den Norden gekommen, um ins Heer einzutreten.«
    »Aha«, meinte er, den Blick zur Seite gekehrt.
    »Das tun viele andere wohl auch.«
    »Ein paar, ja. Die meisten gehn im Süden zur Armee – freiwillig oder gezwungenermaßen. Ein paar wenige ziehn wie du nach Norden, weil sie in eine besondere Einheit wollen, wo ein Freund oder Verwandter dient. Ein Soldatenleben …«
    Ich wartete, daß er weiterspräche.
    »… hat große Ähnlichkeit mit einem Sklavenleben, denk’ ich. Ich bin zwar nie Soldat gewesen, habe aber mit vielen gesprochen.«
    »Hast du ein so hartes Leben? Ich würde meinen, die Pelerinen seien milde Herrinnen. Schlagen sie dich?«
    Er lächelte und drehte sich um, so daß ich seinen Rücken sehen konnte. »Du bist Liktor gewesen. Was meinst du zu meinen Narben?«
    Im letzten Licht des Tages konnte ich sie kaum erkennen. Ich strich mit den Fingern darüber. »Daß sie sehr alt sind und von einer Peitsche stammen«, erklärte ich.
    »Ich war noch nicht zwanzig, als ich sie bekam. Jetzt bin ich fast fünfzig. Ein Mann mit einer schwarzen Tracht ähnlich der deinen hat sie mir gemacht. Bist du lange Liktor gewesen?«
    »Nein, nur kurz.«
    »Dann kennst du dich nicht aus in dem Geschäft.«
    »Genug, um’s zu praktizieren.«
    »Der Mann, der mich auspeitschte, sagte mir, er sei von der Zunft der Folterer. Ich dachte, du wüßtest vielleicht etwas über sie.«
    »Ja.«
    »Gibt es sie wirklich? Ich habe gehört, sie sind längst ausgestorben, aber der Mann, der mich auspeitschte, sagte was anderes.«
    Ich erklärte: »Es gibt sie noch, soweit ich weiß. Erinnerst du dich zufällig vielleicht noch an den Namen des Folterers, der dich geißelte?«
    »Er nannte sich Geselle Palaemon – aha, du kennst ihn!«
    »Ja. Ich hatte ihn eine Zeitlang als Lehrer. Er ist schon ein alter Mann.«
    »Lebt also noch? Wirst du ihn irgendwann wiedersehn?«
    »Das glaub’ ich nicht.«
    »Mich würde es freuen, ihn noch einmal zu sehen. Vielleicht ergibt es sich mal. Der Increatus lenkt schließlich alle Geschicke. Ihr jungen Männer führt ein wildes Leben – ich weiß es, war schließlich selber mal jung. Weißt du dennoch, daß er alles fügt, was wir tun?«
    »Vielleicht.«
    »Es ist so, darfst mir glauben. Ich hab’ schon viel erlebt. Und weil’s so ist, sehe ich vielleicht den Gesellen Palaemon nie wieder und bist du geschickt, um mein Botschafter zu sein.«
    Als ich schon glaubte, nun seine Botschaft, wie immer sie auch laute, zu hören, verstummte er. Die Patienten, die der Geschichte des Asciers so gespannt gelauscht hatten, unterhielten sich nun untereinander; aber irgendwo in dem Berg schmutzigen Geschirrs, das der alte Sklave eingesammelt hatte, verrutschte, leise klirrend, ein Besteck, wie ich nun deutlich vernahm.
    »Was weißt du über das Sklavenrecht?« fragte er mich schließlich. »Ich meine, auf welche Arten kann man rechtmäßig Sklave werden?«
    »Recht wenig«, entgegnete ich. »Ein gewisser Freund von mir« (ich dachte an den grünen Mann) »wurde Sklave genannt, war aber lediglich ein unglücklicher Fremdling, der von irgendwelchen skrupellosen Leuten gefangengenommen worden war. Ich weiß, das war nicht rechtens.«
    Er nickte zustimmend. »War er dunkelhäutig?«
    »Sozusagen, ja.«
    »Ganz früher, so habe ich mir sagen lassen, richtete sich die Sklaverei nach der Hautfarbe: Je dunkler man war, je niedriger war man als Sklave. Das klingt unglaublich, ich weiß. Aber wir hatten einmal eine Chatelaine im Orden, die sich sehr gut in der Geschichte auskannte und die das sagte. Sie war eine wahrheitsliebende, verläßliche

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