Die Zitadelle des Autarchen
vorübergehend in die Verbannung geschickt worden. Er erzählte mir, wie er dazu stehe und wie einsam er sei. Er sagte, er tröste sich mit der Vorstellung, wie andere Leute lebten, mit der Gewißheit, sie hätten ebensowenig eine Gilde wie er. Aber er könne sie nur bedauern und habe sich bald auch selbst bedauert. Er riet mir, wenn ich glücklich sein wolle und so etwas nicht noch einmal erleben möchte, solle ich mir eine Bruderschaft oder Zunft suchen und ihr beitreten.«
»Ja?«
»Und ich beschloß, seinem Rat zu folgen. Nach meiner Freilassung sprach ich mit den Meistern verschiedenster Gilden, die ich mir zunächst noch aussuchte. Dann wandte ich mich wahllos an alle, damit irgendeine mich aufnähme, wie Schlachter und Wachszieher. Keiner wollte einen so alten Lehrling wie mich oder jemand, der sein Lehrgeld nicht zahlen könnte oder so verdorben sei – sie besahen sich meinen Rücken, weißt du, und kamen zu dem Schluß, ich brächte nichts als Ärger ein.
Ich überlegte also, auf einem Schiff anzuheuern oder mich als Soldat anmustern zu lassen, und wünsche mir seitdem, eins von beiden in die Tat umgesetzt zu haben, obgleich ich mir in diesem Fall vielleicht wünschte, es doch nicht getan zu haben, oder längst tot wäre und nichts mehr zu wünschen hätte. Dann kam ich auf den Gedanken, mich einem Mönchsorden anzuschließen – warum weiß ich nicht. Ich unterhielt mich mit ein paar davon und erhielt von zweien eine Zusage, obschon ich kein Geld hatte und ihnen meinen Rücken zeigte. Aber je mehr ich über die vorgeschriebene Lebensweise hinter den Mauern erfuhr, je weniger glaubte ich mich dazu imstande. Ich war dem Trinken zugeneigt und mochte die Weiber und wollte mich nur ungern ändern.
Als ich dann eines Tages an irgendeiner Ecke herumstand, sah ich einen Mann, der dem Anschein nach zu einem Orden gehörte, den ich noch nicht kennengelernt hatte. Ich beabsichtigte nun, auf einem Schiff anzuheuern, das allerdings erst in einer Woche in See stach. Ein Matrose hatte mir gesagt, die schwerste Arbeit gebe es bei den Vorbereitungen zum Auslaufen, der ich mich entziehen könne, wenn ich bis kurz vors Ablegen wartete. Das war eine Lüge, aber das wußte ich damals noch nicht.
Jedenfalls folgte ich diesem Mann, den ich gesehn hatte, und als er stehenblieb – er war zum Gemüseeinkauf auf den Markt geschickt worden, weißt du –, ging ich zu ihm und befragte ihn über seinen Orden. Er sagte mir, er sei ein Sklave der Pelerinen, was ungefähr das gleiche sei wie ein Mönchsleben, aber besser. Man könnte ein, zwei Gläschen leeren, ohne daß jemand etwas dagegen einzuwenden hätte, solange man nüchtern zum Dienst erschiene. Man könne auch bei einem Mädchen liegen, wofür sich oft Gelegenheit böte, denn die Mädchen hielten einen mehr oder weniger für heilige Männer, und man sei ständig auf Wanderschaft.
Ich fragte, ob ich seiner Meinung nach genommen würde, und bezweifelte, ob dieses Leben so süß sein könnte, wie er es geschildert habe. Er sagte, sie nähmen mich bestimmt, und obgleich er das mit den Mädchen nicht an Ort und Stelle beweisen könne, wolle er mir beweisen, was er übers Trinken gesagt habe, indem er mich zu einem Fläschchen Rotwein einlade.
Wir gingen in ein Wirtshaus am Marktplatz und setzten uns hin, und er hielt sein Wort. Er erklärte mir, dieses Leben gleiche dem eines Matrosen, denn das Beste am Seemannsleben sei, daß man viel herumkomme und von der Welt sehe, was auch bei ihnen so sei. Zugleich habe es Ähnlichkeit mit dem eines Soldaten, denn man sei bewaffnet, wenn man wilde Gegenden bereise. Obendrein erhalte man beim Verdingen einen Batzen Geld. Bei einem Orden bekommt der Orden von jedem, der die Gelübde ablegt, eine Spende. Beschließt er sich später zum Austritt, erhält er einen Teil zurück, was von seinen Dienstjahren abhängt. Bei uns Sklaven verhalte sich alles, wie er mir darlegte, andersherum.
Ein Sklave wird bei der Verdingung bezahlt. Trennt er sich später, muß er sich freikaufen. Bleibt er, kann er alles behalten.
Ich hatte eine Mutter, von der ich, obzwar ich sie nie besuchte, wußte, daß sie keinen Aes besaß. Während ich mir Gedanken zu den frommen Orden gemacht hatte, war ich selbst frommer geworden, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich dem Increatus dienen sollte, während ich mich um meine Mutter grämen müßte. Ich verdingte mich – natürlich bekam Goslin, der Sklave, der mich hingebracht hatte, eine Belohnung – und trug
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