Die Zitadelle des Autarchen
schlechten Menschen Angst.«
»Keiner solle sich gegen den Willen der Gruppe der Siebzehn stellen.«
»Sie sagten zu sich: Er ist Mal um Mal in den Palast gegangen und hat gewiß ein jedes Mal den Herrschern dort berichtet, daß wir ihren früheren Befehl mißachtet hätten. Sicherlich werden sie nun ihre Soldaten auf uns hetzen, um uns zu töten.«
»Wenn ihre Wunden im Rücken sind, wer will ihr Bluten stillen?«
»Die schlechten Menschen liefen fort.«
»Wo sind diejenigen, die einst den Willen der Gruppe der Siebzehn mißachtet haben?«
»Und sie wurden nie wieder gesehn.«
»Wer arbeitet, soll frisches Wasser haben. Frisches Wasser und ein heißes Mahl und ein reines Bett. Dann werden sie bei ihrer Arbeit singen, und ihre Arbeit wird ihnen leicht von der Hand gehen. Dann werden sie singen bei der Ernte, und die Ernte wird reich sein.«
»Der Gerechte kehrte heim und führte fortan ein glückliches Leben.«
Jeder beklatschte diese Geschichte, tief bewegt von ihrem Inhalt, vom Witz des ascischen Gefangenen, vom Einblick in das Leben in Ascien, den sie uns gewährt hatte, und wohl insbesondere von der gewandten, gefälligen Übersetzung, die Foila geliefert hatte. Ich weiß natürlich nicht, ob du, der du diese Erzählung einst lesen wirst, Geschichten magst oder nicht. Wenn nicht, wirst du diese Seiten kurzerhand überblättert haben. Ich persönlich liebe sie, wenn ich ehrlich sein soll. Es scheint mir sogar manchmal, daß von all dem Schönen in der Welt Dichtung und Musik das einzige ist, dessen die Menschheit sich rühmen kann; denn sie sind Menschenwerk; alles andere, wie Güte, Schönheit, Schlaf, frisches Wasser und ein heißes Mahl (wie der Ascier sich ausdrücken würde), ist das Werk des Increatus. Freilich sind Geschichten belanglos im großen Weltenplan, aber es fällt einem schwer, nicht am meisten zu lieben, was man sein eigen nennt – mir zumindest.
Von dieser wenngleich kürzesten und einfachsten aller in diesem Buch wiedergegebenen Geschichten lernte ich wohl mehrere wichtige Dinge. Zuallererst, wieviel von dem, was wir scheinbar mit eigenen Worten äußern, aus festen Wendungen besteht. Der Ascier sprach offenbar nur solche Sätze, die er auswendig gelernt hatte und die wir bis zum ersten Gebrauch noch nie gehört hatten. Foila redete anscheinend so, wie wir es häufig bei Frauen erleben; hätte man mich gefragt, ob sie gebräuchliche Floskeln verwendete, hätte ich wohl verneint – und doch: wie oft hätte sich das Ende ihrer Sätze anhand der ersten Wörter vorhersagen lassen.
Zum zweiten lernte ich, wie schwer sich das Bedürfnis, sich auszudrücken, ausschalten läßt. Die Redefreiheit der Ascier war so weit beschnitten, daß sie nur die Sprache ihrer Meister benutzen durften; aber sie hatten daraus eine neue Sprache geschaffen, und ich hegte, nachdem ich den Ascier gehört hatte, keinen Zweifel, daß er alles sagen konnte, was er wollte.
Und zum dritten erfuhr ich abermals, was für eine vielschichtige Sache eine Geschichte doch ist. Eine schlichtere als die des Asciers gäb’s fast nicht, dennoch fragt man sich, was sie bedeute. Sollte sie ein Lobgesang auf die Gruppe der Siebzehn sein? Der bloße Schrecken ihres Namens hatte die Übeltäter vertrieben. War diese Geschichte gedacht, um sie zu rügen? Sie hatte die Klagen des Gerechten vernommen, aber weiter nichts für ihn getan, als ihn mündlich ins Recht zu setzen.
Allerdings hatte ich nicht erfahren, was ich am dringlichsten in Erfahrung bringen wollte, als ich dem Ascier und Foila lauschte. Mit was für einem Motiv hatte sie ihm gestattet, sich an dem Wettbewerb zu beteiligen? Aus lauter Boshaftigkeit? Ihren lachenden Augen nach zu urteilen wäre das durchaus denkbar. Ob sie sich vielleicht tatsächlich zu ihm hingezogen fühlte? Das schien mir unglaubhafter, wenn auch nicht ausgeschlossen. Wer kennt nicht Weiber, die sich Männern ohne den geringsten Vorzug an den Hals werfen? Sie hatte eindeutig viel mit Asciern zu tun gehabt, und er war eindeutig kein normaler Soldat, denn er beherrschte unsere Sprache. Erhoffte sie sich, ihm irgendein Geheimnis zu entwinden?
Wie stand’s nun mit ihm? Melito und Hallvard hatten sich vorgeworfen, ihre Geschichte jeweils mit einem tieferen Zweck erzählt zu haben. War’s bei ihm auch der Fall? Wenn ja, dann hatte er Foila – und uns übrigen – sicherlich damit sagen wollen, daß er nie aufgeben werde.
Winnoc
An jenem Abend bekam ich noch einmal Besuch: von einem
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