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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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und sogar der Asder hatten ihre Chance. Soll ich vielleicht keine bekommen? Wenn ein Mann einer Dame den Hof macht und glaubt, er hätte keinen Rivalen, so gibt’s dennoch einen – nämlich die Dame selbst. Sie kann sich ihm hingeben, sie kann es aber auch vorziehen, sich für sich selbst zu behalten. Er muß sie überzeugen, daß sie mit ihm glücklicher sei als mit sich allein, und obschon die Damen oft von den Männern dazu überzeugt werden, stimmt’s häufig nicht. Auch ich will also an diesem Wettbewerb teilnehmen und mich für mich gewinnen, wenn ich kann. Wenn um des Erzählens willen geheiratet wird, sollte ich dann jemand heiraten, der ein schlechterer Geschichtenerzähler wäre als ich selbst?
    Jeder der Männer hat eine Geschichte aus seiner Heimat vorgetragen. Auch ich will diesem Beispiel folgen. Meine Heimat ist das Land der fernen Horizonte, des weiten Himmels. Das Land der Weiden und des Windes und der galoppierenden Hufe. Im Sommer kann der Wind so heiß sein wie die Luft aus dem Ofen, und wenn auf den Pampas Feuer ausbricht, reicht der Rauchgürtel über hundert Meilen weit; dann bespringen die Löwen teufelsgleich unser Vieh, um es vor dem Brand zu retten. Die Männer meiner Heimat sind kühn wie ein Ochs und die Frauen feurig wie ein Falk.
    Als meine Großmutter noch jung war, stand in meiner Heimat eine abgelegene Villa, zu der nie ein Mensch kam. Sie gehörte einem Waffenträger, einem Vasallen des Lehnsherrn von Pascua. Das Land war fruchtbar und das Haus vornehm und fein, obgleich das Herbeischaffen der Dachbalken mit dem Ochsengespann einen ganzen Sommer lang gedauert hatte. Die Mauern waren wie bei allen Häusern meiner Heimat aus Lehm und jeweils drei Schritt dick. Menschen, die im Wald leben, verachten solche Mauern, aber sie sind kühl und sehen, weißgetüncht, stattlich aus und brennen nicht. Es hatte dieses Haus einen Turm und einen großen Bankettsaal und war mit einer Anlage aus Seilzügen und Rädern versehen, womit zwei im Kreis gehende Merychippusse den Dachgarten bewässerten.
    Der Waffenträger war eine galanter Mann und seine Frau gar lieblich, aber von all ihren Kindern überlebte nur eine Tochter das erste Jahr. Sie war groß, braun wie Leder, aber weich wie Öl, mit Haaren von der Farbe hellsten Weines und Augen, dunkel wie Gewitterwolken. Doch weil die Villa, in der sie lebten, so abgelegen stand, kannte sie niemand und freite keiner um sie. Oft ritt sie den ganzen Tag allein übers Land, wenn sie mit ihrem Wanderfalken beizte oder mit ihren gepunkteten Raubkatzen hinter einer aufgespürten Antilope einherjagte. Oft saß sie auch allein den ganzen Tag in ihrer Schlafkammer und lauschte dem Lied der Lerche im Vogelbauer, während sie in den uralten Büchern blätterte, die ihre Mutter aus dem Elternhaus mitgebracht hatte.
    Schließlich beschloß der Vater, daß sie endlich heiraten müsse, denn schon stand ihr zwanzigster Geburtstag bevor, wonach sie keiner mehr haben möchte. Also sandte er seine Diener aus und ließ überall im Umkreis von dreihundert Meilen ihre Schönheit preisen und verkünden, daß bei seinem Tode der Gemahl alles bekäme, was er nun besitze. Viele stattliche Ritter kamen mit silberbeschlagenen Sätteln und korallengeschmückten Schwertern. Er beherbergte sie alle, und seine Tochter, das Haar unter einem Männerhut verborgen und einen langen Dolch in einer Männerschärpe tragend, mischte sich unter sie, als wäre sie einer davon, auf daß sie erführe, wer sich vieler Liebschaften rühme und stehle, wenn er sich unbeobachtet wähnte. Allabendlich begab sie sich zu ihrem Vater und nannte diese beim Namen, woraufhin er sie, nachdem die Tochter gegangen war, zu sich bestellte und ihnen von den Pfählen erzählte, die jeder meidet, so angepflockte, in rohe Tierhaut gebundene Männer in der Sonnenglut sterben; und am nächsten Morgen sattelten sie und ritten von dannen.
    Bald waren es ihrer nur mehr drei. Nun konnte die Tochter des Waffenträgers nicht mehr unter ihnen weilen, denn sie fürchtete, unter so wenigen alsbald erkannt zu werden. Sie ging in ihre Schlafkammer, löste ihr Haar und bürstete es, zog die Jagdkleidung aus und badete in feinem Duftwasser. Sie steckte Ringe an die Finger und Reife an die Arme, hängte große Goldringe an die Ohren und legte jenen Reif aus lauterem Gold um die Stirn, welcher der Tochter eines Waffenträgers zusteht. Kurz gesagt, sie machte sich von Kopf bis Fuß schön, und weil sie ein gutes, unerschrockenes Herz

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