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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gepackt wurde. Im letzten Moment hatte jemand den wild um sich schlagenden Mann nachdraußen gezogen, bevor alle vier Dachbalken gleichzeitig nach unten prasselten, um dem gierigen Feuer neues Futter zu liefern. Baumhoch waren die Flammen in den Himmel geschossen, jeder Versuch, zu löschen, war nun sinnlos geworden. Von Barbaras Sohn Josef war keine Spur zu sehen gewesen. Auch er mußte jämmerlich in den Flammen umgekommen sein.
    Ganz Carlsthal hatte mit Leonard dagestanden, um die Feuerwache zu halten. Fassungslosigkeit, Angst um die Nachbarhütten, Schrecken und Trauer hatten sich auf den Gesichtern der Zuschauer abgezeichnet. Kaum einer konnte seinen Blick von dem Feuer wenden. Es war um die Mittagszeit gewesen, als die Flammen endlich zu immer kleineren Feuerherden zusammenschrumpften. Und es war früher Nachmittag, als diese gelöscht waren und nur noch der Gestank des Verbrannten in der Luft hing.
    Hilflos tuschelnd gingen die meisten langsam nach Hause mit gesenkten Armen und Köpfen. Sie ließen Leonard nur ungern stehen. Sowohl Martha als auch Grete traten an ihn heran und versuchten, ihm Lea aus dem Arm zu nehmen, um sie dorthin zu bringen, wo Wärme und eine Mahlzeit auf sie warteten. Doch wie angewurzelt stand Leonard vor den Resten seines Hauses, Lea mit eisernem Griff im Arm, als habe er Angst, daß sie ihm als nächstes genommen wurde.
    Â»Leonard, komm. Wir müssen gehen. Lea friert. Soll die Kleine sich den Tod holen?« Mit faltiger Stirn beobachtete Leonji, wie sein Freund auf die harschen Worte reagieren würde. Schreien, Toben, Heulen, ein Wutausbruch oder blanker Haß – alles hätte Leonji erwartet und wäre damit fertig geworden. Doch schien sämtliche Kraft aus Leonard gewichen zu sein. Und damit sein Widerstand. Wie ein lebloses Bündel ließ er sich von Leonji durch die Gassen ziehen, bis sie an dessen Hütte angelangt waren. Widerstandslos zog er die verbrannten Kleider aus. Als Leonjis FrauBilenka Lea nehmen wollte, um sie mit einem Brei zu füttern, blitzten seine Augen kurz auf, doch dann übergab er der älteren Frau den Säugling.
    Keiner der drei Menschen hatte an jenem Tag noch viel gesprochen. Leonji und Bilenka hatten beschlossen, Leonard und seiner Tochter ein Heim zu geben, mochte die eigene Hütte noch so klein, die eigenen Vorräte noch so mager sein. Beides war mehr, als Leonard aufzuweisen hatte.
    Auch jetzt, zwei Wochen später, wäre es Bilenka nie in den Sinn gekommen, bei Leonji nachzufragen, wie es denn mit ihren beiden Gästen weitergehen solle. Wie lange sein Freund und dessen Tochter wohl noch zu bleiben gedachten.
    Da ihre eigenen Kinder – allesamt Mädchen und zum Glück ordentlich verheiratet – aus dem Haus waren, war sie überglücklich, mit Lea wieder junges Leben bei sich zu haben. Wann immer Leonard es zuließ, übernahm sie es, die Kleine zu waschen oder zu füttern. Von Leonard selbst merkte man kaum etwas in der kleinen Hütte. Auch was ihre Vorräte anging, brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Tag für Tag kamen die Carlsthaler vorbei, um etwas Eßbares für Leonard und die kleine Lea zu bringen: zwei Eier, einen Scheffel Gerste, Brot, ein Stück gerauchten Schinken.
    Wäre es nach ihr gegangen, hätten die beiden bleiben können, solange sie wollten. Doch sie wußte, daß dies nicht ging. Ein Mann, der nur Löcher in die Decke starrte und sich um seine Tochter kümmerte – das war kein gesunder Zustand. Schließlich war Leonard noch nicht alt! Ein gesunder, kräftiger Bursche wie er, den man bisher nie unbeschäftigt gesehen hatte? Wenn man so zu ihm hinüberblickte, mußte man fast fürchten, daß er wie Barbara dem Wahnsinn verfallen würde. Kam ein Besucher, nickte Leonard nurkurz mit dem Kopf, sprach jedoch kein Wort. Von Tag zu Tag wurden die Carlsthaler hilfloser: War das noch der gleiche Mann, der immer einen Scherz auf den Lippen hatte? Der für jede ihrer Sorgen ein Ohr und oft auch einen Rat hatte?
    Etwas mußte geschehen, beschloß Bilenka, während sie mit einem großen Messer einen Kohlkopf in grobe Streifen schnitt, um daraus eine Suppe zu kochen. Etwas, das es vermochte, Leonard den Schmerz um Barbara zu erleichtern. Das ihn ins Leben zurückholte. Gedankenvoll setzte sie einen Topf Wasser auf, schüttete eine ordentliche Prise Salz und einige Pfefferkörner hinein und

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