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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Nachricht beibrachte. Vielleicht würde sich in den nächsten Tagen eine passende Gelegenheit ergeben? Noch immer bekam sie Wilhelm viel zu selten zu sehen. Seine Regierungsgeschäfte fraßen den besten Teil des Tages auf – und die meisten Abende noch dazu. Und doch hatte sie das Gefühl, als wären sie sich seit der Nacht des Volksfestes wieder ein wenig nähergekommen. Der Nacht, in der sie ihren Sohn gezeugt hatten. Drei Schwangerschaften in drei Jahren … Vielleicht warsie deshalb so müde? Unfug! Sie freute sich schon auf Maria Feodorownas Antwort, wenn diese von ihrem zukünftigen Enkel erfuhr. Vielleicht war die Ankunft des neuen Erdenmenschen Maman sogar einen Besuch wert? Noch heute würde sie ihr schreiben! Doch zuerst mußte sie die übrige Post beantworten, mochte auch nichts besonders Interessantes darunter sein. Je schneller sie ihre Korrespondenz Fräulein von Baur übergab, desto eher konnte sie mit einer Nachricht aus Pavlovsk, dem Landsitz ihrer Mutter, rechnen. Sie balancierte das silberne Tablett mit den Briefen so lange auf ihren Knien hin und her, bis sie mit ihrer Schreibunterlage zufrieden war. Dann griff sie nach dem gläsernen Tintenfaß samt Feder und begann mit der Arbeit.

37
    Z wei Wochen waren vergangen seit dem verheerenden Feuer, bei dem Barbara ums Leben gekommen war.
    Erst langsam kam Leonard wieder zu sich. Die meiste Zeit über war ihm jedoch zumute, als sei er in einen dichten Nebel eingehüllt, durch den er nur schwerlich sehen und hören konnte. Nur Lea gelang es, den Nebel zu durchdringen. Kaum begann sie mit fester Stimme ihren Hunger, ihren Durst oder ihre Einsamkeit zu melden, war Leonard neben ihrer Krippe, um sie zu füttern oder in den Schlaf zu wiegen. Damit verbrachte er seine Zeit. Damit und mit der Erinnerung an den schrecklichen Tag, der ihm so vieles genommen hatte, was ihm lieb und teuer war.
    Barbara war tot. Daß sie ihren Tod mit großer Wahrscheinlichkeit selbst verschuldet hatte, war für Leonard genauso unwichtig geworden wie die Tatsache, daß sie in den letzten Monaten nur noch eine Last für ihn gewesen war. Kein Mensch sollte so grausam sterben müssen! Nicht einmal die Tatsache, daß sie beinahe auch Lea umgebracht hätte, konnte er Barbara übelnehmen. Zu sehr war er in Selbstvorwürfe verstrickt. Warum hatte er die beiden alleine gelassen? Warum um alles in der Welt hatte er nicht Grete oder Martha geholt, bevor er sich auf den Weg zum Doktor machte?
    Â»Leonards« gab es nicht mehr. Alles, was er in den letzten beiden Jahren mit seinen eigenen Händen aufgebaut hatte,war zerstört worden. Lediglich zwei geschwärzte Eckbalken, die wie dunkle Mahnmale emporstanden, waren von dem Krämerladen übriggeblieben. Nichts, aber auch gar nichts war von den Flammen verschont geblieben, die hölzernen Regale und Schubladen, Besen, Schaufeln, Stoffballen – alles hatte gebrannt wie Zunder.
    Daß Lea überlebt hatte, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen, war ein Wunder, für das Leonard Gott jeden Tag aufs neue dankte. Schreiend, mit rußverschmiertem Gesicht, hatte sie in ihrer Wiege gelegen, während um sie herum die Wände glühten, der Boden mit lodernden Feuerstellen übersät war und die Luft durch die grauschwarzen Nebelschwaden, die Leonard den Atem nahmen, immer dicker wurde. Nachdem er Lea in Sicherheit gebracht und draußen einer Nachbarin übergeben hatte, war Leonard erneut hineingestürzt, diesmal auf der Suche nach Barbara. Die Männer, die so tapfer wie erfolglos mit Wassereimern gegen das Feuer ankämpften, hatten mit aller Kraft versucht, ihn zurückzuhalten. Vergeblich. Leonard wußte, daß er sein Leben in Gefahr brachte, doch der Drang, auch Barbara zu retten, war stärker.
    Es sollte ihm nicht gelingen – Gott hatte ihm nur ein Wunder zugebilligt.
    Nacht für Nacht verfolgte ihn nun ihr Bild, wenn er sich mit Lea im Arm auf der fremden Schlafstätte hin und her wälzte. Barbara war unter dem großen, umgestürzten Regal, dessen Rückwand als Trennung zwischen Laden und Wohnraum gedient hatte, eingeklemmt gewesen. Ohnmächtig oder schon tot – Leonard war keine Zeit geblieben, dies herauszufinden. Selbst fast ohnmächtig, hatte er an ihrem Arm gezogen, mit bloßen Händen versucht, das riesige, brennende Holzteil von ihr zu heben, als er von hinten grob an den Schultern

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