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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wartete darauf, daß das Wasser zu kochen begann.
    Gerade als der Deckel auf dem schwarzen Topf zu hüpfen begann, kam ihr ein Gedanke – so einfach und simpel und doch so richtig, daß ihr Herz vor lauter Aufregung gleich schneller schlug. Sie schaute zum Fenster hinüber, wo Leonji die letzten Feinarbeiten an einer hölzernen Tabakdose erledigte. Kaum spürte er ihren Blick im Rücken, drehte er sich um. Sie winkte ihn zu sich her. Die Kohlstreifen verkochten zu musigem Brei, während Bilenka Leonji von ihrer Idee erzählte.
    Nachdem sie mit Leonard schweigend den verkochten Kohl und dicke Scheiben schwarzes Brot gegessen hatten, sprang Leonji auf, packte seine dicke Felljacke und rannte aus dem Haus.
    Es war später Abend, als er endlich zurückkam. Leonard hatte sich schon zum Schlafen zurechtgelegt, seine Augen waren jedoch noch weit aufgerissen und leer wie immer.
    Â»Leonard, steh auf!« Heftig rüttelte Leonji an seinem Arm. Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er an den einzigen Schrank im Raum, holte eine Flasche Wodka und drei Becher heraus und stellte alles auf den Tisch. Bilenkazwinkerte er kurz zu. Noch drei Mal mußte er Leonard am Arm rütteln, ihn fast hochziehen, bis er ihn endlich am Tisch sitzen hatte. Er ließ sich auf der Eckbank gegenüber nieder. Dann goß er drei Becher randvoll mit Wodka, reichte einen davon Leonard und prostete ihm zu. Sobald dieser seinen Becher angesetzt hatte, kippte er seinen eigenen mit einem Zug hinunter. Dann schenkte er Leonard nach und wartete erneut ab, bis auch dieser Becher leergetrunken war.
    Erst jetzt begann er mit seiner Rede. Er packte Leonard an beiden Händen, und sein Blick suchte den des Freundes.
    Â»Leonard, Barbara ist tot. Du bist es nicht. Du lebst. Ich frage dich: Wie lange dauert es noch, bis du das merkst?« Ein kleines Flackern in Leonards Augen verriet ihm, daß er zuhörte. Ein gutes Zeichen. »Deine Tochter lebt. Lea. Wann wirst auch du wieder damit beginnen, ein richtiges Leben zu führen?« Er drückte seine Hände fester zu.
    Â»Ich … weiß … es … nicht.« Leonards Stimme klang rostig. Aber er sprach. Leonji atmete innerlich auf. »Wie soll ich …? Wie soll ich weiterleben, nach allem, was geschehen ist?«
    Die beiden Männer schwiegen. Bilenka, die sich zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte, machte Leonji ein heimliches Zeichen, doch dieser winkte ab. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, Leonard sprechen zu lassen. Was er selbst zu sagen hatte, konnte bis später warten.
    Â»Wie soll ich weiterleben, wo ich doch weiß, daß ich an Barbaras Tod schuldig bin? Habe ich denn das Recht dazu?« Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Miene ein einziges Fragezeichen.
    Leonji schüttelte den Kopf. »Was geschehen ist, ist Schicksal. Du kannst nichts für das Feuer. Du hast alles getan, um Barbara zu retten. Nein, Freund, die Zeit, dieToten zu beweinen, ist vorüber. Jetzt ist es an der Zeit, sich um die Lebenden zu kümmern.«
    Leonard zuckte zusammen, als habe er einen Schlag bekommen. »Wen habe ich denn noch außer Lea? Mein Weib ist tot, meine Familie zurück in der Heimat …« Wieder wurde seine Stimme brüchig.
    Zum ersten Mal schaltete Bilenka sich ins Gespräch der Männer ein. »Du brauchst eine Gefährtin.« Sie lächelte sanft. »Wären meine Töchter nicht allesamt verheiratet – dir hätt’ ich gern eine davon zur Frau gegeben.«
    Â»Ja, es ist Zeit, daß du dich nach einer neuen Mutter für Lea umsiehst. Es ist nicht gut für ein Kind, ohne Mutter aufzuwachsen. Und du kannst dich auch nicht ewig um sie kümmern.«
    Â»Und warum nicht? Was habe ich schon sonst den lieben langen Tag zu tun?«
    Â»Eine ganze Menge, mein Freund!« Wieder hielt Leonji ihm einen vollen Becher Wodka hin. »Laß uns anstoßen.«
    Ein bitteres Lachen kroch aus Leonards Kehle. »Auf was kann ich noch anstoßen?« Grob schob er Leonjis Hand zur Seite.
    Â»Zum Beispiel darauf, daß du eine Menge Freunde hast, die zu dir halten! Die dich für Manns genug halten, um ihr Vertrauen in dich zu setzen.«
    Â»Wovon redest du? Was soll das?«
    Da erzählte Leonji ihm von seinem und Bilenkas Plan. Davon, daß er den ganzen Nachmittag unterwegs gewesen war, um Leonards frühere Lieferanten zu besuchen, zumindest diejenigen, die in der Nähe wohnten.

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