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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Geräusche, das Fell der beiden Pferde glänzte grauschwarz wie frisch gegossenes Eisen. Der Kutscher hatte seinen Kopf tief in den Kragen seines Umhangs gezogen. Nur wenn er seinen Pferden ein Kommando zurief, hob er ihn ein wenig an. GraueRegenbäche liefen über seine Wangen und tropften in nicht enden wollenden Bahnen auf seine Brust.
    Obwohl es ein ganz normaler Samstag war, schienen Stuttgarts Straßen wie ausgestorben. Außer zwei Brauereifuhrwerken und einem Postillion war er seit Beginn seiner Fahrt noch keinem anderen Gefährt begegnet. Noch diese eine Fahrt, dann würde er zum Mittagstisch und einem ordentlichen Krug Bier ins nächste Wirtshaus einkehren und dort abwarten, bis der schlimmste Regen vorüber war!
    Auf der steiler werdenden Straße hinterließ der Atem der Pferde in der kalten Regenluft kleine, weiße Wolken. Noch ungefähr drei Meilen bis Scharnhausen. Verfluchtes Wetter! Ein Schauer lief dem Kutscher über den Rücken. Seit zwei Tagen hatten sie noch keine trockene Stunde gehabt, dafür Regen, Schneeschauer und zur Abwechslung einmal Nebel. Hätte er das Geld nicht so dringlichst gebraucht – hätte er die Fahrt wohl abgelehnt. Noch dazu, wo sein Fahrgast einen recht seltsamen Eindruck auf ihn machte. Ohne Mantel, mit regendurchnäßten Samtstiefeletten, dafür mit einem dicken Schal über Gesicht und Haaren, so daß er außer den Augen nichts erkennen konnte, war die Frau eingestiegen und hatte als Ziel Scharnhausen genannt. Scharnhausen oben auf den Fildern – das bedeutete mindestens vier Taler für die Fahrt! Da konnte er schlecht nein sagen. Zur Sicherheit hatte er sich jedoch vorab von der seltsamen Dame das Geld zeigen lassen, um nur ja keiner Zechprellerin aufzusitzen. Er seufzte tief auf. Nicht einmal eine Pfeife, an der man sich hätte wärmen können, konnte man bei diesem Wetter zum Glühen bringen.
    Die Frau im Inneren der Kutsche starrte krampfhaft auf das zerschlissene, rote Leder der gegenüberliegendenSitzbank. Leise schlugen ihre Zähne aufeinander, und ihr Unterkiefer zitterte.
    Wie hatte sie nur so töricht sein können, ohne Mantel in dieses Wetter hinauszulaufen? Hier draußen in der eisigen Kälte dieses nassen Januarmorgens bekam ihr Handeln plötzlich eine wahnsinnige Note, die sie erschreckte. Was geschah mit ihr? War sie nicht mehr Herrin über ihre Sinne? Sich wie eine Diebin verkleidet aus dem Schloß zu schleichen, ohne jemandem Bescheid zu sagen?
    Wie hatte sie überhaupt so töricht sein können, auf diese Mission zu gehen? Was erwartete sie sich davon?
    Katharinas Kehle wurde eng. Sie wußte genau, was sie davon erwartete. Gewißheit.

39
    D ie Stimmung im Stuttgarter Schloß war so düster und bedrückend, daß fast jeder, der durch die stillen Gänge huschte, das Bedürfnis hatte, an die frische Luft zu flüchten, um wieder tief durchatmen zu können. Nichts erinnerte mehr an das rauschende Fest zum Jahreswechsel, wo Frohsinn und Gelächter vom Ballsaal bis in alle Ecken des Schlosses geschallt hatten. War seitdem wirklich erst eine Woche vergangen? Besucher wurden abgewiesen und auf spätere Termine vertröstet. Das ständige Kommen und Gehen im offiziellen Teil des Schlosses war auf ein Minimum reduziert.
    Beinahe die ganze königliche Familie lag von Krankheit geplagt nieder. Beide Leibärzte, die Herren Jäger und Ludwig, eilten zwischen den einzelnen Krankenzimmern hin und her. König Wilhelms Rheuma mochte ihm zwar große Schmerzen bereiten, machte den Ärzten jedoch weniger Sorgen als der Katarrh der beiden Prinzessinnen, die vom Husten geschwächt nach ihrer Mutter riefen. Erst nach der Konsultation eines Kollegen, der auf Krankheiten bei Kindern spezialisiert war, fand sich ein heilbringender Saft. Die Kinderfrau tat ihr Bestes, um ihnen die Mutter zu ersetzen, liebkoste sie des Tags, behütete sie bei Nacht, war immerfort zur Stelle, um Tee in die ausgetrockneten Kehlen zu flößen oder kalte Wickel auf die erhitzten Leiber zu legen.
    Katharina selbst lag ebenfalls krank danieder, völligentkräftet und mit hohem Fieber. Sie war es, die die Leibärzte ratlos und besorgt machte. Wie konnte eine so harmlos beginnende Erkältung zu einer so unheilvollen, alle Kräfte aufsaugenden Krankheit auswachsen? Und das gerade bei Katharina, die in der Vergangenheit fast übermenschliche Kräfte

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