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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sondern einzig und allein Württemberg mit seinen Staatsgeschäften! Wie blind war sie doch gewesen! Sie, die sich auf ihre Menschenkenntnis so viel einbildete! Die vielen Abende, die er ohne sie verbracht hatte … Hätte sie nicht öfter nachschauen müssen, ob er sich wirklich in seinen Schlafgemächern befand, um nach den Anstrengungen des Tages eine frühe Nachtruhe zu genießen?
    Ein dicker Kloß bildete sich in ihrer Kehle, und sie wurde von neuen Weinkrämpfen geschüttelt. Hatte der Schreiber recht mit seiner Anschuldigung, sie wäre eine armselige Ehefrau? Hätte sie mißtrauisch sein sollen wie eine Bürgersfrau, deren Gatte dem Dienstmädchen einen Blick zuviel zuwarf? War sie nicht über solches Verhalten erhaben? Sie wußte es nicht mehr.
    Wilhelms zeitweilige Verschlossenheit, seinen Unwillen,Gefühle zu zeigen – all das hatte sie immer wieder auf seine unglückliche Kindheit geschoben. Daß die Gründe für sein abgekühltes Verhalten ihr gegenüber viel näher in der Gegenwart zu finden waren – darauf wäre sie nie gekommen! Eine andere Frau! Melia Feuerwall, die Schauspielerin. War das die Erklärung dafür, daß er über alle Maßen vom Theater fasziniert war? Zu welch lächerlichen Figuren in seinem Possenspiel hatte Wilhelm sie alle gemacht?
    Wortfetzen surrten durch ihren Kopf. »Wilhelm kann keiner Frau treu sein«, und »So stur der Vater, so flatterhaft der Sohn«, und »Treu’ und Lieb’ sind in Württemberg wohl zweierlei Stiefel«. Sie überlegte krampfhaft, wo sie diese Sätze schon einmal gehört hatte. Auf dem Wiener Kongreß war es gewesen! In der Zeit, als sie sich kennengelernt hatten. Ja, damals hatte es den einen oder anderen Zweifler gegeben, ob Wilhelm wohl der Richtige für Großfürstin Katharina Pawlovna sei. Sie wischte die Erinnerungen wie eine lästige Fliege fort. Was für einen Sinn machte es, in der Vergangenheit nach einer Erklärung für die Gegenwart zu suchen? War nicht genau dieser Versuch ihr zum Verhängnis geworden?
    Sie versuchte, sich Melia Feuerwall vor Augen zu rufen, die Widersacherin, die Nebenbuhlerin. Kaum glaubte sie, ihr Gesicht vor sich zu haben, verwischte es wieder und verwandelte sich zu einer Figur auf der Stuttgarter Hofbühne. War es vielleicht das, was Wilhelm an dieser Frau so reizte? Die vielen Gesichter der Schauspielerin? War sie Wilhelm zu fad – zu wenig facettenreich?
    Mittlerweile nahm Katharina die Worte des Schmähbriefes völlig für bare Münze. Zu ihm zu gehen, ihn einfach nach der Wahrheit zu fragen wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. Ihr, die sonst jeder menschlichen Begegnung gewachsen, nie um ein passendes Wort verlegen war, fehlten nun nicht nur die Worte, sondern auch der Mut für eine solche Konfrontation.
    An diesem Tag verließ sie ihr Zimmer nicht mehr und empfing auch keine Besuche. Mit schlechtem Gewissen dachte sie an ihre Kinder, die wahrscheinlich sehnsüchtig auf ihren Besuch warteten. Morgen. Morgen würde sie weiterleben.
    Rastlos verließ sie in dieser Nacht immer wieder ihr Bett, um ans Fenster zu treten. Draußen prasselte immer noch der Regen, der das Licht der Straßenlaternen zu einem schmutzigen Braun dämpfte und die Stadt verdunkelte.
    Am nächsten Morgen stand ihr Entschluß fest: Sie würde auf eigene Faust herausfinden, ob die Anschuldigungen des Briefeschreibers zutrafen. Gleich heute würde sie Wilhelm nachfahren, ihn kontrollieren, wie ein Soldat von seinem Oberst kontrolliert wurde. Schon bei diesem Gedanken schauderte sie. Und doch, es mußte sein. Welche Pläne hatte Wilhelm für den heutigen Tag geäußert? Krampfhaft dachte sie nach, doch ihr wollte nichts einfallen. War vielleicht das ihr Fehler? Daß sie oft nicht einmal wußte, wo der König sich befand, einfach annahm, er würde seinen Amtsgeschäften nachgehen?
    Draußen war es noch nicht einmal hell, als sie sich barfüßig in seine private Schreibstube schlich. Sie suchte mit den Augen Stück für Stück seinen Schreibtisch ab und haßte sich dafür. Als sie mit zittriger Hand seinen Kalender aufschlug, wurde der Kloß in ihrem Hals klumpig und bitter. Dann fand sie, was sie gesucht hatte: »Elf Uhr, Scharnhausen, M.«
    Die Räder der Kutsche machten auf den regenüberschwemmten Pflastersteinen schmatzende

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