Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Neujahrsmorgen gefunden hatten. Ein junges Ding soll es gewesen sein, und schön dazu. Mit eingeschlagenem Schädel soll sie dagelegen haben, im Gebüsch, gar nicht weit von hier.«
    Â»Du hast doch vorhin gesagt, Sonia hätte dich in der Neujahrsnacht besucht! Mit eingeschlagenem Schädel … heilige Maria im Himmel!« unterbrach Ludovika seineRede und bekreuzigte sich. Die anderen taten es ihr gleich.
    Johann schaute erst zu ihr hinüber, dann zu Eleonore. »Stimmt das?«
    Eleonore nickte. »Ja, sie war kurz hier. Weil ich wochenlang keine Zeit für sie hatte, hat sie mich besucht. Noch vor Mitternacht ist sie wieder gegangen.« Ihr Stimme wurde brüchig. »Aber, wer hat sie umgebracht? Warum erfahre ich erst heute davon? Warum mußte sie sterben?« Sie schaute von einer zur andern. Beschämt guckten die Frauen zur Seite. Bei dem Gedanken, daß sie vor wenigen Minuten noch so böse über die Tote gesprochen hatten, war ihnen gar nicht wohl. Aber konnte denn einer ahnen, daß …
    Wieder schüttelte Johann den Kopf. Irgendwie konnte er das Ganze selbst noch nicht fassen. »Keine Ahnung. Im Theater scheint sie wohl auch niemand zu vermissen, sonst hätt’s doch wenigstens eine Anfrage bei den Gendarmen gegeben, und sie wären so darauf gekommen, um wen es sich bei der Toten handelte. Wäre ich der Sache nicht nachgegangen … Aber irgendwie hat mich die Geschichte nicht in Ruhe gelassen. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte gleich das ungute Gefühl, ich würde die Tote kennen, von der die ganze Welt redet.«
    Â»Wahrscheinlich gibt’s kein hübsches, junges Ding in der Stadt, das du nicht kennst«, sagte Ludovika trocken, was ihr einen ärgerlichen Seitenblick von Johann einbrachte.
    Â»Auf alle Fälle hab’ ich mich heut’ überwunden und bin ins Leichenhaus.« Er seufzte tief. »Mir ist selbst noch ganz unheimlich. Da lag wirklich Sonia, wie wir sie alle kennen. Vom Mörder hätten die Gendarmen noch keine Spur, wußte der Leichenaufseher zu berichten.«
    Langsam wurde den anderen Frauen Eleonores Beherrschung unheimlich. Kein Weinen, keine einzige Träne fürdie geliebte Schwester? Vielleicht hatte sie noch gar nicht verstanden, was Johann ihr mitgeteilt hatte?
    Immer wieder stellte sie die gleiche Frage, doch Johann wußte nicht mehr, als er schon gesagt hatte. »Warum? Warum hat sie sterben müssen? Wer bringt eine junge Frau um?«
    Johann räusperte sich. Was jetzt kam, war mindestens so schlimm wie das Vorherige. »Wenn du von ihr Abschied nehmen willst, mußt du dich beeilen. Sie soll noch heute unter die Erde kommen, wurde mir gesagt. Wär’ der Boden in den ersten Tagen des Jahres nicht so schwer gewesen, dann wär’ sie wahrscheinlich schon längst …«
    Â»Wo finde ich das Leichenhaus?«
    Â»Unweit vom östlichen Stadttor. Ich geh’ mit, wenn du willst. Das ist weiß Gott kein Ort für Weiber.«
    Betreten sahen die anderen Frauen Eleonore an. Um nichts in der Welt hätten sie in ihrer Haut stecken wollen!
    Â»Wieso?« Eleonores Augen waren kalt wie Steine in einem Flußbett. »Sonia liegt doch auch dort. Und für sie scheint’s der richtige Ort zu sein.«

40
    T am … tam … tim ta … tim ta … Musik? Musik! Eine leise, immer wiederkehrende Melodie. Ein Mädchen vor einem Klavier, auf einem runden, sich drehenden Hocker sitzend. Übt mit konzentrierter Stirn immer wieder die gleiche Stelle einer Partitur, stolpert immer an der gleichen Stelle über die eigenen Finger. Zur Nacht straff aufgebundenes Haar, das auf der Kopfhaut ziept. Unlust – Tristesse. Maman! Wo war Maman? Hatte sie nicht gute Nacht sagen wollen? Ein Griff in die Haare. Die Zöpfe, zu straff. Wo waren Milusja und Ryska? Warum war keines der Kindermädchen da?
    Das Mädchen steht auf, geht zur Tür. Die langen Gänge sind dunkel. Kein Mondlicht kommt von außen durch die schmalen, ovalen Fensteröffnungen, nirgendwo ist eine Tür geöffnet, kein Licht aus einem dahinterliegenden Zimmer. Ein Lichtstrahl fällt auf die endlose Reihe von Ölportraits verstorbener Romanovs, schnelle Schatten entlang der Wände.
    Das Mädchen bleibt im Türrahmen stehen, unbemerkt.
    Schritte. Männer. Offiziere sind es, das Mädchen kennt ihre goldverbrämte Uniform.
    Das Mädchen friert. Die

Weitere Kostenlose Bücher