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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sie ihre zu engen Schuhe ausgezogen hatte, streckte sie die Beine weit vor sich aus und genoß die warme Luft, die ihre bloße Haut streichelte. Sie war gerade eingedöst, als sie einen Schatten über sich spürte. Unwillig öffnete sie die Augen.
    Â»Lorchen, wach auf! Los, du verschlafenes Huhn, was ich dir zu sagen habe, wird dich wachmachen wie ein kalter Regen. Nur auf eine angenehmere Art!« Sonias silbernes Lachen wurde von den in den Baumwipfeln ruhenden Vögeln mit gezwitschertem Singsang nachgeahmt.
    Eleonore blinzelte erneut. Ohne die bunten Glasperlen und schmückenden Bänder in ihrem Haar sah Sonia jünger und verletzlicher aus als früher. Doch ihre Augen glänzten nach wie vor so kalt wie Bergseen.
    Â»Was gibt’s denn so Wichtiges?«
    Sie konnte gegen die Schärfe in ihrer Stimme nichts tun. Manchmal erweckte Sonias Anblick eine ungewohnte Wut in ihr, gegen die sie hilflos war. Dabei war Sonia noch nie zuvor in ihrem Leben so kleinlaut gewesen. Noch nie hatte sie sich so bemüht, ihrer Schwester zu gefallen. Eleonore hatte wirklich keinen Grund zur Klage: Tagsüber mühtesich Sonia mehr recht als schlecht in der Küche ab, abends lag sie mit offenen Augen neben ihrer Schwester in der heißen, stickigen Dachkammer. Vorbei waren die unerlaubten Ausflüge, fast vergessen die unschönen Gerüchte, die jeden ihrer Schritte begleitet hatten. Immer wieder suchte sie Eleonores Blick und versuchte sogar manchmal, ihr einen Weg oder eine Arbeit abzunehmen. Zum ersten Mal überhaupt schien sie Eleonore wahrzunehmen, schien sie zu spüren, wann es ihrer Schwester gut und wann es ihr weniger gut ging. Auch über die Königin ließ sie keine bösen Bemerkungen mehr fallen, was Eleonore rasch aufgefallen war. Doch statt dem Herrgott für Sonias Sinneswandel dankbar zu sein, betrachtete sie sie mit äußerstem Mißtrauen. Unwillkürlich wartete sie jeden Tag darauf, daß aus der kleinen Flamme der Untugend in Sonia ein neues Fegefeuer erwachen würde.
    Â»Ich habe einen Brief für dich. Hier.« Sie streckte ihr eine Hand entgegen.
    Hellwach setzte Eleonore sich auf. »Von wem?«
    Sonia zog die Augenbrauen hoch. »Wer weiß?«
    Endlich griff Eleonore nach dem dicken, braunen Briefumschlag in Sonias Hand. Als sie die krakelige Schrift sah und ihren Namen las, entspannte sich ihr Gesicht. Der Brief war von Leonard, in Ulm abgeschickt, noch vor seiner endgültigen Abreise. Sie begann zu rechnen. Drei ganze Wochen hatte der Brief von Ulm bis hierher gebraucht, Leonard würde nun schon längst auf einem Schiff in Richtung Rußland unterwegs sein.
    Â»Na, willst du ihn nicht lesen?« Ungeduldig zwickte Sonia sie in den Schenkel.
    Â»Nein, das mache ich später.« Wenn ich alleine bin, fügte sie im stillen hinzu und hoffte, Sonia könnte ausnahmsweise einmal ihre Gedanken lesen.
    Doch diese machte es sich nun ebenfalls im weichen Grasbequem. Flink zog sie ihre Schuhe aus und schob ihren Rock nach oben, um Luft an ihre schmalen Beine zu lassen. Den Brief keines Blickes oder Wortes mehr würdigend, brachte sie Eleonore mit ihrer nächsten Bemerkung völlig aus der Fassung.
    Â»Sag einmal, deine Kochkünste … Reichen die nicht bald aus, um selbst eine Zuckerbäckerin zu sein, statt nur Lilis Handlangerin?«
    Â»Wie kommst du denn darauf?« Eleonore schüttelte den Kopf. »Was für ein Gedanke! Was ich kann, ist keiner Rede wert.«
    Gedankenverloren kämmte Sonia ihre Haare mit der rechten Hand. Dann teilte sie ein paar Strähnchen ab und begann, einen dünnen Zopf zu flechten. »Nun … da hört man aber ganz andere Sachen«, antwortete sie gedehnt und warf Eleonore einen scharfen Blick zu.
    Â»Was für andere Sachen? Wovon redest du eigentlich?«
    Â»Du scheinst wirklich nicht zu wissen, was um dich herum gesprochen wird, was?« Sonia schüttelte ungläubig den Kopf. »Daß du dich geschickt anstellen würdest, heißt es. Die alte Kuh, die Ludovika, hat sich bei Johann neidisch darüber ausgelassen, daß du dein Handwerk schon besser verstündest als manch einer, der es sein Leben lang gelernt hat.«
    Â»Ach, was. Das ist doch nur Gerede«, antwortete Eleonore heftig. So gern sie in der königlichen Hofküche arbeitete und so dankbar sie für ihr neues Leben war – der tägliche Tratsch hinter dem Rücken der anderen,

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