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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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die ewigen kleinen Streitereien und Eifersüchteleien zwischen den einzelnen, damit konnte sie einfach nichts anfangen. Was für die anderen das Salz in der Suppe bedeutete, das den langen, anstrengenden Arbeitstag mit Abwechslung würzte, war für Eleonore unangenehm und machte sie verlegen. DasWortgeplänkel, das die anderen so gut beherrschten und das in fast allen Küchenabteilen zu hören war, meisterte sie nicht, weil es ihrem Wesen von Grund auf widersprach. Sonia hingegen fühlte sich dabei wie ein Fisch im Wasser und brachte mit ihren oft so treffenden, spitzen Worten ihre Zuhörer laut zum Lachen. Daß dies immer auf Kosten anderer geschah, machte ihr nichts aus, im Gegenteil: Sie schien die kleinen Eifersüchteleien durch gezielte Bemerkungen noch bewußt anzustacheln.
    Â»Und der Johann hat geantwortet, daß es nicht mehr lange dauern würde, und du tätest der Lili was vormachen.«
    Â»Blödsinn«, wehrte Eleonore erneut ab. »Der Johann redet viel, wenn der Tag lang ist. Die Lili ist eine Künstlerin. Und ich? Ich bin bestenfalls eine Handwerkerin, mehr nicht. Außerdem: Was hätte ich schon davon, wenn ich wirklich so gut wäre, wie du sagst?« Ohne es zu wollen, ging Eleonore nun doch auf Sonias Reden ein.
    Â»Nun, du könntest an Lilis Statt arbeiten. Ich weiß zwar nicht, was du so schön daran findest, den ganzen Tag wie ein Ackergaul zu schuften, aber dann wärst du immerhin die königliche Zuckerbäckerin! Und würdest ein königliches Gehalt bekommen.«
    Â»Und Lili? Was würde aus der werden? Nein, ich glaub’, du bist von allen guten Geistern verlassen. Und ich auch, daß ich mich auf ein solches Gespräch einlasse! Wir müssen beide froh und dankbar sein, daß wir überhaupt hier arbeiten und wohnen dürfen. Ich für meinen Teil möchte jedenfalls nicht mehr mit früher tauschen, das kann ich dir sagen«, entgegnete Eleonore heftig und drehte sich ein wenig zur Seite. Wie gerne würde sie nun lesen, was Leonard ihr geschrieben hatte. Statt dessen mußte sie mit Sonia dieses aberwitzige Gespräch führen. Daß Ludovika und Johann solche Dinge behauptet haben sollten, konnte sie eh nicht glauben. Sie wußte nur nicht, was Sonia mit diesen Lügenbezwecken wollte. Wahrscheinlich wollte sie ihr nur schöntun, weil sie immer noch ein schlechtes Gewissen hatte. Daß Eleonore ihretwegen ein neues Leben in Rußland ausgeschlagen und dem Ruf ihres Herzens widerstanden hatte, schien Sonia schwer zu beeindrucken, auch wenn sie die Entscheidung ihrer Schwester nie kommentiert hatte. Ein so selbstloses Verhalten, das fast an Selbstaufgabe grenzte, galt in ihren Augen als bloße Dummheit. Da es sich jedoch um ihre Schwester handelte, die dieses Opfer brachte, zwang sie sich, zumindest ein wenig Dankbarkeit an den Tag zu legen. Daß sie Eleonore tatsächlich dankbar war, übersah sie in ihrer Eigenliebe völlig.
    Â»Wenn dir so gar nichts daran gelegen ist, in der Küche jemand zu werden, frag’ ich mich, wieso du dann fast jede freie Minute dort verbringst«, sagte Sonia mürrisch. Hartnäckig fuhr sie fort: »Wer jammert denn immer darüber, daß er keine Gelegenheit hatte, etwas zu lernen? Das bist doch du! Und jetzt, wo etwas aus dir werden könnte, willst du die Möglichkeit einfach so in den Wind schlagen?«
    Endlich war Sonia gegangen. Statt Leonards Brief sofort zu öffnen, starrte Eleonore auf das braune, faltige Papier. Ihr Kopf war voll von Sonias Worten, die ein wildes Durcheinander in ihr ausgelöst hatten. Warum war Sonia auf einmal so sehr an Eleonores Wohlergehen gelegen? Hatte womöglich das, was Sonia durchleben mußte, einen besseren Menschen aus ihr gemacht? Nicht, daß sie ihre Schwester jemals für schlecht gehalten hatte! Nein, Sonia war eben, wie sie war. Daß sie sich nun mehr als bisher ihrer Schwester anschloß, Halt bei ihr suchte, sich dafür aber auch mehr um Eleonores Belange kümmerte, war doch völlig normal. Daß Sonia sie brauchte – war das nicht auch der Grund dafür gewesen, hierzubleiben? Trotzdem machte die Heftigkeit, mit der Sonia gesprochen hatte, ihr angst.Wieder einmal hatte sie das Gefühl, als braue sich eine dunkle Wolke über ihr zusammen. Doch dann wischte sie im Geist alle dunklen Gedanken zur Seite.
    Vorsichtig öffnete sie mit ihrem Fingernagel den dicken Briefumschlag.

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