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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Ausdehnung lechze. Ja soll ich denn vielleicht den nächsten Krieg beginnen, nur um mehr Land zu gewinnen?«
    Versteinert stand Katharina immer noch an derselben Stelle. Ihre Hände, mit denen sie die Rückenlehne einesStuhles umklammert hielt, waren kalt und steif. Nach Wilhelms Litanei hatte sie das Gefühl, Welten von ihrem Gatten entfernt zu sein. Entgegen ihrer sonstigen Art machte sie nicht einmal mehr den Versuch, eine Brücke zu schlagen. Ihre Augen, müde von einer durchwachten Nacht, brannten. Ruhig entgegnete sie:
    Â»Dir mag es vielleicht wie eine persönliche Beleidigung vorkommen, daß die Bauern das Land verlassen. Für die Menschen selbst ist es die pure Verzweiflung, welche sie zu diesem Schritt zwingt! Es ist geradezu zynisch, von Abenteuerlust oder einer augenblicklichen Laune zu sprechen. Ich sage damit nicht, daß du in irgendeinem Maße an dem verheerenden Hunger schuld hast, Gott behüte! Kein Mensch in diesem Land würde so etwas behaupten. Aber es ist nun einmal eine Tatsache, daß bei einer Untersuchung im letzten Monat siebzig von hundert Haushalten als bargeld-, getreide- und brotlos anerkannt werden mußten. Wilhelm – das sind Zahlen, an denen selbst du als König nicht vorbeisehen kannst.«
    Sie raffte ihre Röcke zusammen, drehte sich um und machte sich ohne Eile auf den Weg hinaus. Sie spürte dabei seinen Blick im Rücken und wartete darauf, von ihm aufgehalten, zurückgerufen zu werden. Doch als sie an der Tür ankam, hatte Wilhelm noch immer nichts gesagt. Müde und mit schmerzendem Kopf verließ sie die königlichen Amtsstuben. Was nun aus ihren Plänen für eine Armenschule werden sollte, daran mochte sie im Augenblick nicht denken.

12
    O bwohl Eleonore manchmal glaubte, die Zeit müsse anhalten, weil zuviel um sie herum geschah und sie gar nicht alles so schnell begreifen konnte, verging doch Tag um Tag, Woche um Woche.
    Längst redeten die Schwestern nicht mehr von Sonias Schwangerschaft und dem Besuch bei der Engelmacherin, doch die Erinnerung an dieses Erlebnis verband sie wie eine unsichtbare Kette.
    Und Leonard? Leonard war fort.
    Â»Eleonore, was ist mit dir? O Weib, mir bricht es das Herz, dir bei deinem Seelenleid zuzuschauen! Was soll ich nur mit dir machen?«
    Eleonore versuchte ein Lächeln. »Ist schon gut, Lili. Ich war nur mit den Gedanken woanders. Von mir aus können wir anfangen.« Aufmunternd nickte sie der Zuckerbäckerin zu.
    Â»Mit den Gedanken woanders! Ich kann mir schon denken, wo. Ach, ich weiß nicht …« Lili schüttelte den Kopf, und ihre wäßrigblauen Augen wurden ganz dunkel. »Vielleicht hättest du auf dein Herz hören und mit ihm gehen sollen. Also, wenn ich von der ganzen Sache gewußt hätte – ich hätt’ dir zugeraten, glaub’ ich. Obwohl …, wer würde mir dann heuer helfen?« Ihr Gesicht verzog sich zu einem unfreiwilligen Grinsen.
    Eleonore wurde ganz warm ums Herz. »Ach Lili! Du bistso nett und freundlich! Nicht genug, daß du mir dummer Kuh was beizubringen versuchst – als Dank dafür mußt du dir auch noch mein Gejammere anhören.« Unbeholfen packte Eleonore die Zuckerbäckerin am Arm und drückte sie.
    Lili befreite sich aus Eleonores Griff und drehte sich verlegen zur Seite. »Hast doch gar nicht gejammert! Aber ich seh’ dir auch so an, was durch deinen Kopf schwirrt. Ist ja auch kein Wunder. Sag, hat er dir schon geschrieben?«
    Eleonore seufzte. »Bisher noch nicht. Aber daß ich nicht mit ihm auf die große Reise gegangen bin, bereue ich nicht, da kannst du glauben, was du willst. Und ich hab’ auf mein Herz gehört«, fügte sie trotzig hinzu. Während sie sprach, wurde ihr klar, daß sie mit diesen Worten sogar die Wahrheit sagte.
    Â»Und wieso machst du dann die meiste Zeit ein Gesicht wie sieben Tage Regen, häh?«
    Â»Mach’ ich ja gar nicht.«
    Â»Eben doch. Der Leonard fehlt dir, wie ein Mann einem Weib nur fehlen kann.«
    Â»Und wenn es so wäre? Gut, ich hab’ ihn gern gehabt, den Leonard. Aber ich hab’ nicht mit ihm nach Rußland gehen können. Was wäre aus Sonia geworden? Und was, wenn die Königin nochmals nach mir verlangt?«
    Â»Sonia! Die kann sich selber helfen und die Königin auch, wie ich vermute. Aber belassen wir es dabei. Wenn wir nicht bald mit unserer Arbeit beginnen, müssen

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