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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Sie hob den Bogen an und betrachtete die schwarzen Schnörkel auf dem dunkelbraunen Hintergrund. Die einzelnen Buchstaben waren gleichmäßig groß, manchmal fast krakelig, trotzdem hatte Eleonore keine Mühe, Leonards Schrift zu entziffern.
    Liebe Eleonore,
    während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich mit Michael, Karla und den Kindern am Ufer der Donau. Wir sind nun schon seit drei Tagen hier in Ulm und warten darauf, unser Schiff betreten zu dürfen. Die Reise hierher war beschwerlicher, als wir dachten, mit Karla und den Kindern war nur ein langsames Vorwärtskommen möglich. Außer uns haben sich Hunderte von Bauern hier eingefunden, und es herrscht ein unglaubliches Gedränge. Mit Sack und Pack sitzen sie da und warten darauf, endlich von der Heimat Abschied nehmen zu können. Du kannst Dir nicht vorstellen, wer alles ein neues Leben in Rußland wagen will: vom kleinsten Wiegenkind bis zum alten Greis, auch viele Weiber, manche sogar in guter Hoffnung! Den Behörden scheint es egal zu sein, und die Russen prüfen nur, ob auch jeder die 300 Gulden vorweisen kann, die pro Kopf für die Auswanderung erforderlich sind. Ein ganzer Haufen seltsamer Kirchenanhänger ist auch dabei. Pregianzer nennen sie sich. Komische Gesellen. Du solltest einmal deren Gebete hören oder die lustigen Weisen, die sie singen! Sehr christlich hören sie sich in meinen Ohren nicht an …
    Gestern sind drei Schiffe abgefahren, und wir hatten gehofft, auf einem von ihnen dabeizusein. Es heißt, daß wir in 14 Kolonnen reisen werden, und der Himmel weiß, in welcher wir landen! Aber im Grunde genommen ist es gleich, ob wir heute oder morgen wegkommen.
    Geliebte Eleonore, wenn Du nur hiersein könntest! Die Aufregung, die Freude auf den Neuanfang, auch die Angst davor – wie gerne hätte ich alles mit Dir geteilt. So ist es, als würde ich das Ganze nur zur Hälfte miterleben, während sich meine andere Hälfte nach Dir verzehrt. Noch immer kann ich nicht fassen, daß die Sorge um Deine Schwester in Dir stärker war als Deine Liebe zu mir. Doch Du hast Deine Entscheidung gefällt und ich weiß, daß Du es Dir nicht einfach gemacht hast. Nun müssen wir damit leben. Ich denke jeden Tag an Dich, und so sehr mein Herz auch schmerzt, ich weiß, daß auch ich die richtige Wahl getroffen habe. Michaels Weib ist von der langen Hungersnot so krank und schwach, daß wir uns große Sorgen um sie machen. Wäre er hiergeblieben – sie hätt’s nimmer lang gemacht. Und ohne mich wär’ er halt auch nicht gegangen. Jetzt hoffen wir darauf, daß sie sich auf der langen Reise erholen kann. Vorräte haben wir genug dabei, man muß nur aufpassen, daß nachts nichts wegkommt. Gestern hat einer versucht, einem anderen, während dieser schlief, einen Sack mit Trockenfleisch unter dem Kopf wegzuziehen! Das hat der Kerl jedoch gemerkt und dem anderen kräftig eins übergezogen!
    Liebe Eleonore, nun muß ich meinen Brief beenden. Gerade kommt einer und hat unseren Namen gerufen. Auf dem nächsten Schiff, der »Samsara«, sollen wir reisen. Nun heißt es eilig unsere Siebensachen packen und einen guten Platz ergattern. Sie scheinen sehr viele Menschen auf ein Schiff zu laden, da wird das Gedränge groß sein. Vielleicht kann ich Dir noch einmal von unserer Reise schreiben. Wenn nicht, werde ich mich aus der neuen Heimat melden. Ich denke an Dich und warte schon jetzt auf den Tag, an dem Du nachkommen willst – in die neue Welt! Bis dahin lebe wohl – Gott sei mit Dir,
    Dein Leonard.
    Eleonore glaubte, ihr Herz wolle vor lauter Schmerz zerbersten. Der Tag hatte urplötzlich seine sommerliche Süßeverloren. Sie glaubte, keine weitere Minute allein mit sich und ihren Gedanken bleiben zu können. Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Ohne nochmals auf Leonards Worte zu blicken, packte sie den Brief in ihre Schürzentasche und ging ins Schloß zurück. Sie suchte sämtliche Küchenabteile ab, bis sie endlich Johann über einem Stapel Zettel sitzend fand.
    Â»Johann, gibt es eigentlich ein Buch, in dem geschrieben steht, wie eine Küche zu funktionieren hat? Ich meine … da ist noch so vieles, was ich nicht weiß … und ich will nicht immer einem von euch auf der Pelle sitzen und die Zeit rauben. Ihr müßt alle so hart schaffen, und da komm’ ich daher und stell’

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