Die Zufalle des Herzens
dabei, Kenneth stillvergnügt zu quälen, denn sie brauchte Stunden, bis sie eine Entscheidung getroffen hatte. Dana hoffte es inständig.
Sie hatte auch Grady Geld angeboten, um ein Geschenk für Jav zu kaufen.
»Auf keinen Fall, der ist ein Penner.«
»Was ist denn passiert?«
Gradys Miene verdüsterte sich. »Hat meinen Golfball genommen«, murmelte er. An dem Tag, es war am Freitag, hatte Grady Jav auf dem Schulhof seinen geheimen Schatz gezeigt. Jav hatte ihn »killermäßig« genannt.
»Das klingt aber nicht sehr schön«, hatte Dana ihn bedauert.
»›Killermäßig‹ ist aber was Gutes. So was wie ›geil‹.« Doch dann hatte Jav damit spielen wollen. »Ich hab ihm ein paarmal gesagt, er soll ihn zurückgeben, aber er hat immer nur gefragt: ›Wieso?‹«
»Hast du ihm gesagt, dass er etwas Besonderes für dich ist, dass du ihn von deinem Vater hast?«
Gradys Gesicht verzog sich zu einer verdrießlichen Miene. » So was sag ich dem doch nicht!«
Sie hatten auf dem Asphalt neben der Schule gestanden, einem weitläufigen, einstöckigen Flachdachbau, als Jav den Golfball in die Luft geworfen hatte. Er war auf dem Dach gelandet und nicht wieder heruntergekommen. »Jetzt liegt der für immer da«, murmelte Grady. »Penner.«
Als Kenneth gekommen war, um die Kinder abzuholen, hatte Dana ihm den Zwanziger gegeben, für den Fall, dass Grady seine Meinung änderte. »Ich habe selber Geld«, hatte er beleidigt gegrummelt.
»Ach, Herrgott noch mal, nimm’s doch einfach!«, hatte sie zu ihm gesagt.
Und dann hatten die Kinder ihre Reisetaschen zum Auto hinausgeschleppt, waren wegen einer vergessenen Kappe oder eines Buchs noch einmal zurückgekommen, hatten sie noch einmal extra fest umarmt und waren wieder hinausgerannt.
Und dann waren sie weg gewesen.
Später an dem Abend war Jet mit Essen vom Thailänder und einer Frankenstein junior - DVD vorbeigekommen. »Das ist einer der verrücktesten und witzigsten Filme, die je gedreht wurden«, sagte sie zu Dana. »Da werden Sie an absolut nichts anderes denken.« Alder hatte Jet einen Blick zugeworfen. »Was denn?«, sagte Jet. »Sieht doch ein Blinder, dass sie ihre Kinder vermisst.«
»Kannst du mal die Klappe halten?«, murmelte Alder im Flüsterton.
»Schon gut«, sagte Dana zu ihr.
»Siehst du?«, meinte Jet. »Im Übrigen können ihre Kinder sich glücklich schätzen.«
Das stimmte, und Dana wusste, dass sie gut daran täte, das im Blick zu behalten. »Einen Gratisaufenthalt in Disney World bekommt man nicht alle Tage«, räumte sie ein.
»Nicht Disney World «, erwiderte Jet leicht entrüstet. »Sie können sich glücklich schätzen, eine Mutter zu haben, die sie so gerne um sich hat. Meine Mutter würde sich freuen, wenn ich nach Disney World umziehen würde.«
Spontan umarmte Dana die verblüffte Teenagerin und murmelte: »Ich kann dir gar nicht genug dafür danken, dass du neulich Morgan und ihre Freundin gerettet hast.«
Sobald Jet wieder frei war, reagierte sie mit einem halb verlegenen, halb stolzen Grinsen. »Hat Spaß gemacht.« Sie nickte. »Ich sollte über eine Karriere bei der Polizei nachdenken.«
»Du wärst wunderbar.«
Am Samstag hatte Dana Besorgungen gemacht und die Mädchen zu REI , dem Outdoorladen in West Hartford, gebracht, wo sie sich Ausrüstungen für das Wintercamping mit dem Wilderness Club anschauen sollten, und es war nicht schwer gewesen, so zu tun, als wäre es einfach nur ein Wochenende, an dem die Kinder bei Kenneth waren. Der Tag war rumgegangen. Und nachdem Morgan und Grady angerufen hatten, um zu berichten, dass sie schon acht Micky-Ohren gefunden hatten, die in den Wandbildern der Hotellobby versteckt waren, war Dana schlafen gegangen – um Viertel nach sieben.
Jetzt, wo sie am gegenüberliegenden Ufer des Nipmuc Ponds entlanglief, sah sie einen Jungen mit vom Wind zerzaustem, zotteligem Haar, der an dem schmalen, sandigen Uferstreifen einem Beagle einen Tennisball warf. Ich sollte ihnen einen Hund kaufen , dachte sie. Als vom Wasser her ein kräftiger Windstoß kam, vergrub sie die Hände in den Taschen, die Fäuste gegen die Kälte und ihre völlig unangebrachte Verzweiflung geballt. Ihr leerer Magen verlangte knurrend nach etwas zu essen. So änderte sie ihren Kurs, weg vom See und hinaus in Richtung Hauptstraße. Vielleicht könnte sie einen Donut mit einer Tasse Tee hinunterwürgen.
Als sie die Tür zum Village Donuts aufzog, schlug ihr eine wohlig warme, süß duftende Luft entgegen. Leute saßen in
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